Deutsche Grüne sagen Richtungswechsel ab

Anton Hofreiter
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Bei der Wahl zur Fraktionschefin setzt sich die glücklose Spitzenkandidatin Göring-Eckardt klar gegen die wirtschaftsfreundliche Rebellin Andreae durch. An ihrer „linken Seite“ steht der Bayer Anton Hofreiter.

Berlin. Ein Neustart, frische Gesichter, zurück zu den Wurzeln: Viel stand bei den deutschen Grünen nach ihrer Niederlage bei der Bundestagswahl im Raum. Am Dienstag wählten sie ihre neuen Fraktionschefs. Künftig führen der bayerische Verkehrsexperte Anton Hofreiter (43) und die glücklose Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt (47) die Abgeordneten an. Was bedeutet dieses Ergebnis?

Auf jeden Fall signalisiert es eine Verjüngung: Die Altvorderen Trittin (59) und Künast (57) treten ab, die Generation der Mittvierziger rückt nach. Davon abgesehen votierten die Grünen für Kontinuität und gegen einen Richtungswechsel. Die Kür folgte dem Proporz: ein Mann, eine Frau, ein Fundi vom linken Flügel und ein Realo vom rechten. Ein linker Mann war mit Alfred Hofreiter schon vorab ohne Gegenkandidat gesetzt.

Als „Reala“ bewarb sich neben Göring-Eckardt auch Kerstin Andreae. Die 44-jährige Volkswirtin gehört zu den bürgerlichen Rebellen aus Baden-Württemberg. Für die Südwest-Grünen steht fest: Die Fokussierung auf Umverteilungspolitik war ein schwerer Fehler, als dritte linke Partei mit Positionen zwischen SPD und „Linke“ reiben sich die Grünen auf. Deshalb: zurück zum Markenkern, der ökologischen Erneuerung. Die aber könne nur zusammen mit der Wirtschaft gelingen. Den Brückenkopf wollte Andreae bilden. Eine so wirtschaftsfreundliche Gesinnung war vielen Parteilinken zutiefst suspekt.

„Öko“ aus der zweiten Reihe

Mit 41 gegen 20 Stimmen setzte sich Göring-Eckardt durch. Sie führte die Fraktion schon zwischen 2002 und 2005 an. Unter Rot-Grün verfocht sie liberale Arbeitsmarktreformen. Im Wahlkampf aber setzte sich die Präses der Evangelischen Kirche beherzt für linke Sozialpolitik und Steuererhöhungen ein. So viel Loyalität zum Trittin-Kurs macht sich nun bezahlt: Mit den Fundi-Stimmen steht „KGE“ weiterhin an vorderster Front.

Bleibt Hofreiter als neues Gesicht. Lange blonde Haare, Vollbart, offenes Hemd, rustikaler Tonfall: Stilistisch ist der promovierte Botaniker ein „Öko“, ganz anders als sein Vorgänger Trittin. Im Verkehrsausschuss moderierte er mit ruhiger Hand, am Rednerpult wetterte er scharfzüngig gegen Stuttgart 21 und das Berliner Flughafenchaos. Über sein Fachgebiet hinaus ist Hofreiter aber bisher kaum aufgefallen. In seinen ersten Statements als Generalist gibt er sich vorsichtig und eher unbeholfen. Fest steht: Für eine schwarz-grüne Koalition könnte sich der Neuling nur schwer erwärmen. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2013)

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