Tschechien: Bäckermilliardär heizt Wahlkampf an

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Andrej Babiš hat mit Großbäckereien, Düngemittelfirmen und Medienunternehmen viel Geld verdient. Bei der vorgezogenen Parlamentswahl könnte seine Partei zur zweitstärksten politischen Kraft werden.

Berliner Pfannkuchen gehören zum Kerngeschäft von Andrej Babiš, dem große Bäckereien in Tschechien gehören und seit Kurzem auch die deutsche Lieken-Bäckerei. Babiš steht im Halbdunkel einer Prager Metrostation und verteilt die duftenden, noch warmen, runden, mit Marmelade gefüllten Krapfen an die Leute. Selbst scheint er kaum welche zu essen, so hager ist der 59-Jährige.

„Haben Sie die selbst gebacken?“, fragt ihn jemand. Babiš schaut den Frager erst scharf an, grinst dann und klärt ihn lächelnd auf: „Pfannkuchen bäckt man nicht, man bäckt sie in siedendem Fett heraus. Das ist ein Unterschied.“ Da spricht ein Experte, sagen sich die Umstehenden, und wiegen anerkennend die Köpfe.

Das passt zu dem, was sie über den Mann, einen gebürtigen Slowaken, wissen, der sich anschickt, die desolate tschechische Politszene aufzumischen. Bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 25. und 26. Oktober könnte er einen großen Coup landen. Die Umfragen sagen ihm sicher den zweiten Platz hinter den Sozialdemokraten voraus. Womöglich könnte seine Bewegung ANO zum Juniorpartner in einer neuen Regierung avancieren, Babiš selbst träumt davon, Finanzminister zu werden.

Es fing mit Dünger an

Angefangen hatte alles vor zwei Jahren. Angewidert von den Parteien, „die uns seit 1989 nur veralbert und betrogen haben“, gründete er seine Bewegung. ANO heißt im Tschechischen „Ja“, ist aber zugleich die Abkürzung für „Aktion unzufriedener Bürger“. Davon gibt es mehr als genug in Tschechien.

Der Unternehmer kann tatsächlich vorweisen, dass er im Gegensatz zu den meisten Politikern etwas Handfestes auf die Beine gestellt hat. Sein Firmenimperium umfasst heute an die 300 Betriebe. Angefangen hatte er nach der Wende 1989 mit Düngemitteln – er kaufte unter anderem das ostdeutsche Stickstoffwerk Piesteritz in Sachsen-Anhalt. Doch längst ist sein Konzern Agrofert ein Mischkonzern. Gerade schickt dieser sich an, die tschechische Tochter einer deutschen Bank zu kaufen.

Für Furore sorgte Babiš, als er den Medienkonzern Mafra von der Rheinisch-Bergischen Verlagsgesellschaft erwarb. Mafra gibt die beiden einflussreichen und seriösen Blätter „Mlada fronta Dnes“ und „Lidove noviny“ heraus. Da machte erstmals der Vergleich mit Berlusconi die Runde.

Babiš verdient auch ordentlich Geld mit seinen Firmen, ist hervorragend in Deutschland vernetzt, kam allein dort 2012 auf einen Jahresumsatz von 1,8 Milliarden Euro. Da gehörte ihm die Lieken-Bäckerei noch gar nicht. Der im slowakischen Bratislava/Pressburg Geborene will seine Erfahrungen aus der Wirtschaft in die Politik einbringen. „Ein Staat unterscheidet sich nicht so wahnsinnig von einer Firma“, sagt er. Der tschechische Staat verschwende Geld in einem Maße, dass eine Firma längst dreimal bankrott wäre. Mit ANO werde alles besser, verspricht er; so gut, dass die jungen Leute nicht mehr auf der Suche nach einem guten Leben auswandern müssten sondern in der Heimat bleiben könnten.

Arbeit will er den Leuten nämlich geben, Steuern senken, den Staat verschlanken, Auslandsinvestoren holen. Die Liste der Versprechen ist lang. Den Tschechen ist vor allem eines wichtig: „Wir werden euch nicht beklauen.“ Das glauben sie ihm auch. „Der Mann hat so viel Geld, der muss nicht stehlen“, sagen sie.

Er kann auch böse sein

Babiš hat sich mit interessanten Leuten umgeben: Unternehmer, Schauspieler, Sportler, Journalisten. Das Sagen hat aber nur er. Dass er nicht zimperlich ist, wenn es um seine Interessen geht, hat er seinen neuen Zeitungsredaktionen indes klargemacht.

Als „Lidove noviny“ meinte, von einer seiner Pressekonferenzen nicht berichten zu müssen, rief er dort am nächsten Tag an: „Ich hoffe, Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben“, fauchte er. Mehrere Spitzenjournalisten wollen das traditionsreiche Blatt deswegen verlassen.

Der Milliardär (sein Vermögen wurde zuletzt auf etwa 1,5 Milliarden Euro geschätzt) fischt vor allem in der Mitte der Gesellschaft, in der Domäne der bürgerlichen Parteien. Die Bürgerpartei ODS und die TOP 09 von Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg sind daher nicht gut auf ihn zu sprechen und halten Babiš seine angebliche Packelei mit der Staatssicherheit vor 1989 vor. Babiš erwidert, er sei ohne sein Wissen vom Geheimdienst als Informant geführt worden, und will sich in einem Prozess in der Slowakei von den Vorwürfen reinwaschen.

Doch die Masse der Tschechen interessiert sich für die Dinge vor der Wende längst nicht mehr. Der Alltag ist schwer genug, der zweitreichste Tscheche soll ihn erleichtern. „Der Babiš weiß, wie es geht“, glauben viele. Die einzige Sorge, die sie umtreibt: Bei der vergangenen Wahl gab es schon einmal eine neue Partei, die alles ganz anders machen wollte. Die aber ist völlig gescheitert und tritt jetzt nicht einmal mehr an.

ZUR PERSON

Andrej Babiš (*1954 in Bratislava) ist Ökonom und zog seit der Wende 1989 in Tschechien ein Unternehmenskonglomerat hoch, das unter dem Namen Agrofert firmiert und vor allem Lebensmittelhersteller, Chemiefirmen und, seit Kurzem, Medien umfasst. Er gründete 2011 die Partei ANO („Ja“), mit der er gegen etablierte Machtstrukturen kämpft, und könnte bei der Parlamentswahl Ende Oktober auf Platz zwei landen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2013)

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