NSA-Affäre: Angeblich auch Papst bespitzelt

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Der Skandal um angebliche Spionageaktivitäten der NSA soll jetzt auch den Vatikan betreffen: Papst Franziskus sei ebenfalls abgehört worden.

Laut dem italienischen Nachrichtenmagazin "Panorama" wurden Gespräche von hochrangigen Geistlichen im Vatikan bis vor dem Konklave am 12. März abgehört. Bespitzelt seien Telefongespräche worden, die in der "Domus Internationalis Paul VI." in Rom geführt wurden, der Residenz, in der Kardinal Jorge Mario Bergoglio - der künftige Papst Franziskus - mit anderen Kardinälen vor seiner Papst-Wahl wohnte.

Der Verdacht, dass der künftige Papst abgehört wurde, sei konkret, berichtete "Panorama". Bergoglio war bereits seit 2005 ins Visier der NSA geraten, wie auch aus Wikileaks-Berichten hervorgeht. "Panorama" zufolge könnten Gespräche abgehört worden sein, die sich unter anderem auf die Ernennung des neuen Präsidenten der Vatikanbank IOR, Ernst von Freyberg, bezogen.

Vatikan-Sprecher Pater Federico Lombardi betonte hingegen, es gebe keine Hinweise, dass der Papst überwacht worden sei. "Jedenfalls sind wir nicht besorgt", betonte Lombardi.

46 Millionen Telefongespräche abgehört

Laut der US-Webseite "Cryptome" soll der US-Geheimdienst NSA zwischen 10. Dezember 2012 und 8. Jänner 2013 rund 46 Millionen Telefongespräche in Italien erfasst haben. Auch von der US-Botschaft in Rom aus sollen italienische Politiker bespitzelt worden sein.

Der Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald hatte vergangene Woche dem Nachrichtenmagazin "L'Espresso" berichtet, dass sich auch die britischen Geheimdienste Zugang zum Kabelsystem optischer Fasern verschafft habe, über das Telefonanrufe, Mails und der Internet-Informationsstrom in Italien verlaufen. Die relevanten Informationen, die die Briten sammelten, wurden dann mit der NSA getauscht. Damit konnten vertrauliche Informationen über Politiker, Staatsdiener und Unternehmen in Italien gesammelt werden.

Die Briten wählten Telefonanrufe und Mails, aus denen unter anderem "politische Absichten ausländischer Regierungen" entnommen werden konnten, berichtete Greenwald. Premier Enrico Letta wird dem Parlament in der Woche zwischen dem 11. und dem 15. November über die Spionageaffäre berichten.

"Selbstverändlich davon gewusst"

Die Überwachungspraktiken der USA waren nach Einschätzung des russischen Außenministers Sergej Lawrow internationalen Politikern wie der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel sowieso bekannt. "Ich bin überzeugt, dass alle es wussten oder zumindest damit rechneten", sagte Lawrow der Agentur Interfax zufolge am Mittwoch in Athen.

"Jetzt wird ein solcher Lärm darum gemacht, weil es nicht üblich ist, darüber öffentlich zu sprechen", sagte er. In Moskau versicherte Kremlsprecher Dmitri Peskow unterdessen, dass alle russischen Politiker gegen Lauschangriffe geschützt seien. "Unsere Telefone gewährleisten Vertraulichkeit und Sicherheit", sagte er.

Zweifel an Obamas Aussage

In den USA werden indes Zweifel laut, dass Präsident Barack Obama bis vor wenigen Wochen nichts von der Ausspähung des Handys von Merkel gewusst haben soll. Behauptungen aus dem Weißen Haus, der Präsident sei sich nicht im Klaren über die Spionage gegen ausländische Spitzenpolitiker gewesen, seien "lachhaft", zitierte das renommierte US-Magazin "Foreign Policy" am Mittwoch in seiner Online-Ausgabe mehrere ehemalige Regierungsvertreter, die namentlich nicht genannt wurden.

Auch wenn er nicht ausdrücklich über die Spähangriffe informiert worden sei, habe Obama sicher in vertraulichen Berichten von den Ansichten und Vorhaben seiner ausländischen Partner erfahren. Vor allem vor Treffen mit anderen Staats- und Regierungschefs werde der Präsident stets exakt über deren Einstellungen unterrichtet. Wenn seine Berater ihm dabei nicht erzählt hätten, dass die Information aus abgefangener Kommunikation der Spitzenpolitiker stamme, sei das "fast schon eine Pflichtversäumnis", sagte ein Ex-Beamter im Weißen Haus dem Blatt.

Gegenseitig abhören sei erwachsen

Ähnlich äußerte sich der ehemalige NSA-Chef Michael Hayden am Mittwoch im TV-Sender MSNBC. "Selbstverständlich" seien ausländische Spitzenpolitiker ausspioniert worden, als er unter Präsident George W. Bush im Amt gewesen sei. "So gehen erwachsene Nationen miteinander um. Und das ist völlig akzeptabel", sagte Hayden. Die USA selbst würden auch von anderen Ländern ausspioniert - deshalb verwende Obama auch ein besonders abhörsicheres Handy. Merkel und die Europäer regten sich nur deshalb so über die US-Spionage auf, weil sie nun in der Zeitung stehe. Es handle sich vor allem um politisches Theater.

(APA/dpa)

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