Al-Jazeera: Arafat wurde mit Polonium vergiftet

Yasser Arafat soll mit Polonium vergiftet worden sein, sagen Schweizer Experten.
Yasser Arafat soll mit Polonium vergiftet worden sein, sagen Schweizer Experten.(c) REUTERS (LOAY ABU HAYKEL)
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Schweizer Experten sind in ihrem Bericht zu dem Schluss gekommen, dass der Palästinenserpräsident vergiftet wurde.

Ein Schweizer Ärzteteam hat laut dem arabischen Fernsehsender al-Jazeera Hinweise auf eine Vergiftung des verstorbenen Palästinenserpräsidenten Yasser Arafat mit Polonium gefunden. Das Gutachten der Experten stütze die Hypothese einer Vergiftung mit dem radioaktiven Element, meldete am Mittwoch der Sender, der den umfangreichen forensischen Bericht auf seiner Webseite veröffentlichte. Der langjährige PLO-Vorsitzende war im November 2004 in einem Militärkrankenhaus bei Paris im Alter von 75 Jahren verstorben.

Laut dem Bericht fanden die vorgenommenen "neuen toxikologischen und radio-toxikologischen Untersuchungen" ein "unerwartet hohes Niveau von Polonium-210- und Blei-201-Aktivität" in den untersuchten Proben. Die Proben, die bei einer Exhumierung von Arafats Leiche vor knapp einem Jahr entnommen worden waren, würden 18-mal mehr Polonium enthalten als normal, berichtete al-Jazeera.

Vergiftung wahrscheinlich

Es sei daher sehr wahrscheinlich, dass Arafat mit Polonium vergiftet wurde, zitierte al-Jazeera aus dem Bericht. Arafats Witwe Suha, die die Exhumierung und Untersuchung beantragt hatte, sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Wir haben ein wirkliches Verbrechen, einen politischen Mord aufgedeckt".

Im Bericht ist außerdem von einem außergewöhnlich hohem Anteil an Blei 201 im Körper Arafats die Rede. Laut "al-Jazeera" sind die Experten bis zu 83 Prozent sicher, dass der Palästinenser-Führer mit Polonium vergiftet wurde. In der Conclusio der Schweizer Experten heißt es: "... die Ergebnisse unterstützen einigermaßen ("moderately", im Original) die Annahme, dass der Tod eine Konsequenz einer Vergiftung mit Polonium 210 war." Eine Vergiftung sei wahrscheinlicher, als eine andere Ursache. Laut dem Bericht ist "mäßig unterstützen" die zweithöchste Bestätigung einer These.

900 Milibecquerel

Der britische Gerichtsmediziner Dave Barclay meinte gegenüber al-Jazeera angesichts der Ergebnisse sei er überzeigt, dass Arafat ermordet wurde. "Wir haben den rauchenden Colt gefunden." Man wisse aber noch nicht, wer den Colt seinerzeit gehalten haben. In den Rippen Arafats habe die Polonium-Belastung rund 900 Millibecquerel betragen. Das sei 18 bis 36 Mal mehr als der Durchschnitt, so Barclay.

Arafats Witwe Suha hatte den Untersuchungsbericht am Dienstag in Paris erhalten. Sie trauere nun erneut um Arafat, sagte sie, "es ist als ob sie mir gerade gesagt haben, dass er tot ist".

Schweiz, Frankreich und Russland testen

Arafat war am 27. November 2012 in Ramallah exhumiert worden. Die Palästinenser hatten behauptet, dass Israel ihren Präsidenten vergiftete. Rund 60 Proben sind bei der Exhumierung aus Arafats Grab entnommen worden. Ermittler aus der Schweiz, Frankreich und Russland untersuchten je ein Drittel davon auf eine mögliche Vergiftung des Politikers.

Die russischen Experten hatten im Oktober noch berichtet, keine Spuren von Polonium 210 im Leichnam Arafats gefunden zu haben. "Er kann nicht mit Polonium vergiftet worden sein", hatte Wladimir Ujba, Chef der staatlichen biologisch-medizinischen Agentur berichtet. Schweizer Gerichtsmediziner sind nun zu einem anderen Ergebnis gekommen. Von den Untersuchungen des französischen Teams sind noch keine Erkenntnisse bekannt geworden. Ursprünglich hatte es geheißen, die Ergebnisse aus der Schweiz würden gemeinsam mit den französischen Ergebnissen veröffentlicht werden.

Polonium

Das radioaktive Schwermetall ist in geringen Mengen in Uranerzen enthalten. Pro Jahr werden schätzungsweise 100 Gramm Polonium hergestellt. Es wird als Neutronenquelle benutzt, unter anderem auch zum Zünden einer Atombombe.

Schon ein Millionstel Gramm Polonium 210 kann einen Menschen töten. Das Radionuklid sendet zwar nur eine kurze Alphastrahlung aus, die durch Kleidung, Papier oder Haut abgehalten wird. Es wird aber gefährlich, wenn Polonium geschluckt, eingeatmet oder über Wunden aufgenommen wird. 2006 wurde der russische Kreml-Kritiker Alexander Litwinenko in London mit Polonium ermordet. Er wurde mit der radioaktiven Substanz im Tee vergiftet.

Spuren an Arafats Kleidung

Der Verdacht, Arafat könnte mit Polonium vergiftet worden sein, war durch Untersuchungen von einigen seiner persönlichen Gegenstände durch das Institut für Radiophysik des Universitätsklinikums in Lausanne (CHUV) im Juli 2012 aufgekommen. Dieses Institut legte auch die aktuellen Ergebnisse vor, die al-Jazeera veröffentlichte. Experten des CHUV hatten damals unter anderem Unterwäsche und eine Mütze untersucht, die Arafat kurz vor seinem Tod getragen haben soll. Daran hatten sie erhöhte Werte von Polonium 210 festgestellt. Auch an Arafats Zahnbürste sowie an den Haaren waren Spuren des radioaktiven Isotops gefunden worden.

>> Zum Bericht des CHUV, veröffentlicht von al-Jazeera

(APA/dpa/Red.)

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