Südkorea: Eine Präsidentin für die Männer

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Als erste weibliche Staatschefin ihres Landes wäre Park Geun-hye prädestiniert dafür, die starke Benachteiligung von Frauen zu bekämpfen. Aber feministische Themen ignoriert sie.

Als Hyomin Han im Februar eine neue Präsidentin bekam, hätte sie sich eigentlich freuen müssen. „Irgendwie ist es ja gut so“, hadert die Politikstudentin. Auf einer Einkaufsstraße in Seoul blickt die 24-Jährige auf ein Plakat. Das Konterfei von Park Geun-hye lächelt ihr entgegen. Es ist sympathisch, sie wirkt nicht arrogant, eher wie eine Tante, die immer einen lustigen Spruch draufhat. „Ein nettes Lächeln ist nicht alles, was wir brauchen. Als Frau in ihrer Position könnte sie mehr bewegen.“

Park Geun-hye kann zwar auch mehr als nur nett aussehen. Als sie Ende vergangenen Jahres in den Wahlkampf einstieg, plädierte sie für mehr soziale Gleichheit, eine Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit und eine neue Entspannungspolitik gegenüber Nordkorea. Alles wichtige Themen, findet Hyomin Han. Aber ein offensichtliches Thema, dessen Park sich nun als Regierende von 50 Millionen Menschen annehmen könnte, wäre die Gleichheit zwischen den Geschlechtern. In keiner anderen Industrienation sind Frauen in diversen Lebensbereichen so stark benachteiligt wie hier. „Viele junge Frauen finden, die Präsidentin sollte etwas dagegen tun“, sagt Han. Bewegt hat sich bisher nichts.

Der jährliche „Gender Gap Report“ des World Economic Forum, der zuletzt Ende Oktober veröffentlicht wurde, brachte wieder eine deutliche Botschaft. Im globalen Vergleich der Geschlechtergleichheit hat sich Südkorea einmal mehr verschlechtert, von Rang 108 auf 111 von 135. Damit steht dieses wohlhabende und moderne Land mit einem sehr hohen Bildungsniveau hinter den Vereinigten Arabischen Emiraten, Nigeria und Malaysia, nur einen Platz vor Bahrain.

Besonders schlecht sieht es im Wirtschaftsleben aus. Für gleiche Arbeit verdienen Frauen 40 Prozent weniger, nicht einmal zwei Prozent der Führungspositionen in den größten Unternehmen sind weiblich besetzt. „Wenn Männer abends mit ihren Arbeitskollegen in eine Bar gehen, dürfen die Mitarbeiterinnen nicht mit“, sagt Han, die bei einem Nebenjob selbst schon diese Erfahrung gemacht hat. „Das wird damit begründet, dass sie in Striplokale gehen. Aber so werden wir ausgeschlossen. Bei solchen Treffen werden ja auch wichtige Entscheidungen getroffen.“

In einer Männerwelt aufgewachsen

Park macht das keine Sorgen. Als Park kurz nach Amtsantritt im Februar von einer US-TV-Journalistin gefragt wurde, was sie denn als erste Staatschefin in ganz Ostasien vorhabe, antwortete diese: „Ich bin sicher, dass jetzt, mit einer Frau an der Spitze, überall mehr Frauen die Herausforderungen annehmen werden, die ihnen in vielen Situationen des Lebens begegnen.“ Park sieht sich als Inspiration für Frauen, nicht als deren Unterstützerin. Ganz verwunderlich ist das nicht, Park ist keine gewöhnliche Frau. Als Tochter des einstigen Diktators Park Chung-hee, der zwischen 1962 und 1979 regierte und für den wirtschaftlichen Aufstieg Südkoreas mitverantwortlich ist, kannte sie schon als Kind die männerdominierte Politik des Landes. Im Elternhaus gingen Kabinettsmitglieder ein und aus, Park war schon als Mädchen gut vernetzt und lernte die für die Politik nötigen Verhaltensweisen. Als ihre Mutter bei einem Attentatsversuch auf den Vater erschossen wurde, folgte ihr Park Geun-hye mit 22 Jahren als First Lady.

Zur Vorsitzenden der konservativen Saenuri-Partei wurde sie nach einer Korruptionsaffäre ihrer Parteikollegen. „Das Amt bekam sie nicht, weil sie eine Frau war“, sagt Politologin Claudia Derichs, die derzeit in Tokio über asiatische Politikerinnen forscht. „Wegen ihrer dynastischen Herkunft hatte sie die Funktion einer Heilsbringerin.“

So würden feministische Themen ihrer Karriere eher im Weg stehen. Parks Kabinett besteht nicht zufällig aus nur zwei weiteren Frauen. In ihrer Saenuri-Partei gibt es kaum ernsthafte Unterstützung für Emanzipation. „Statt das Thema Geschlechtergleichheit offensiv anzugehen, hat sie es deshalb gar nicht auf ihrer Agenda“, sagt Derichs. Immer, wenn Park auf solche Fragen angesprochen wird, betont sie zwar, wie wichtig diese seien. In der Regel ist auch dieser Satz zu hören: „Unsere Gesellschaft hat große Fortschritte gemacht.“ Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt, in der Bildung und dem privaten Leben ist in der Tat Teil der Nachkriegsverfassung von 1948. Seit 1985 soll ein Gesetz die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt sichern. 1995 folgte ein Gesetz gegen Diskriminierung von Frauen und seit 2001 gibt es ein Ministerium für Gleichberechtigung.

Kein Mann, keine Kinder

Umso bemerkenswerter ist es, dass in der Praxis weiterhin eine riesige Lücke klafft. Von Frauen wird allgemein erwartet, zu heiraten, für Kinder und Haushalt zu sorgen. „Deswegen haben uns viele Personaler gar nicht auf der Rechnung“, sagt Hyomin Hanl. „Park Geun-hye wird uns dabei auch nicht helfen.“ Ein „Erbe“ könnte die konservative Präsidentin dafür auf anderer Ebene hinterlassen: Ähnlich wie es vielen jungen Frauen vorschwebt, die lieber auf ihre Karriere achten wollen, hat Park nie geheiratet oder Kinder bekommen. Gewollt wäre so eine Vorbildfunktion nicht – Südkorea hat eine sehr niedrige Geburtenrate.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2013)

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