Nukleardeal mit Iran: Israels Angst vor Atomalbtraum

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Israels Premier Netanjahu hat alles versucht, einen Kompromiss zu verhindern. Nun wettert er über einen „historischen Fehler“. Ein militärischer Alleingang Jerusalems scheint vorerst vom Tisch.

Jahrelang hat Israel mit aller Macht gegen den „atomaren Albtraum“ angekämpft. Ein ums andere Mal drohte Premier Benjamin Netanjahu mit einem Präventivschlag gegen das Atomprogramm des Iran. Er warnte und wetterte, er setzte seine Verbündeten unter Druck und machte mit massiver Lobbyarbeit Stimmung gegen Teheran, und als sich in den vergangenen Wochen ein Kompromiss abzeichnete, drehte er noch stärker an seiner Rhetorik und schlug dabei über die Stränge. Selbst in Moskau buhlte er zuletzt um Unterstützung.

Am Ende aber half alles nichts. Also fügte sich Israels Regierungschef vorerst resigniert ins Schicksal. Der Euphorie, die nach dem Kompromiss mit dem Iran im Atomstreit in Genf zum Teil aufkam, setzte er harsche Ernüchterung entgegen. „Was in Genf beschlossen worden ist, ist keine historische Übereinkunft, sondern ein historischer Fehler.“ Die Welt sei nun ein „gefährlicherer Ort“ geworden, denn „das gefährlichste Regime in der Welt hat einen entscheidenden Schritt getan, um die gefährlichste Waffe in der Welt in die Hand zu bekommen“.

Die nun stärkeren Kontrollen und den Rückbau des iranischen Atomprogramms überzeugten Netanjahu nicht. Geht es ihm auch um die Aufrechterhaltung eines Feindbilds? An das Abkommen, das machte er deutlich, fühle er sich jedenfalls nicht gebunden.

Peres: „Ihr seid nicht unsere Feinde“

Aus der Front der Ablehnung scherte nur ein Einziger aus der Führungsebene in Jerusalem aus. Das Urteil des 90-jährigen Präsidenten Schimon Peres fiel differenzierter aus. Ob das Abkommen von Erfolg gekrönt sei oder nicht, werde sich an den Ergebnissen zeigen, und nicht durch Worte. An das iranische Volk appellierte Peres entschlossen, den Terror abzulehnen und das Nuklearprogramm zu beenden. „Ihr seid nicht unsere Feinde und wir sind nicht eure“, sagte der Präsident versöhnlich. Im Gegenzug freilich drohte er unverhohlen: „Sollte der diplomatische Weg versagen, dann wird die Nuklearoption durch andere Mittel verhindert werden.“ Genau dies entspricht auch der Linie Netanjahus, der unmissverständlich formulierte: „Teheran wird keine Atombombe haben.“

Die gesamte Rechtskoalition stimmte in Netanjahus Credo ein. Außenminister Avidgor Lieberman drohte erneut mit einem Alleingang Israels. „Wir sind verantwortlich für unser Schicksal“, meinte er und erinnerte daran, dass noch immer alle Optionen auf dem Tisch lägen. Gewinner der Verhandlungen seien nicht die westlichen Weltmächte, sondern die Führung in Teheran. Auch Juval Steinitz, der Geheimdienstminister, zeigte sich skeptisch über den „schlechten Deal“.

Netanjahu und seine Minister – allen voran Steinitz – hatten bis zur letzten Minute versucht, die an den Verhandlungen beteiligten Staaten umzustimmen. Geht es nach Jerusalem, müsste das komplette Nuklearprogramm gestoppt werden. Unter den Umständen, so die Sorge, halte sich Iran den Weg zum Atomstaat offen. „Die Iraner sind auch in Zukunft in der Lage, Uranium anzureichern“, erklärt Ephraim Kam vom Thinktank INSS (Institut für Nationale Sicherheitsstudien) in Tel Aviv. Der größte Erfolg für Teheran sei, dass Iran „fortan mit Genehmigung Uranium anreichert“. Für ihn ist es problematisch, die Sanktionen erneut zu verschärfen, sollte sich eines Tages herausstellen, dass Teheran sich nicht an die Vereinbarungen hält.

Einen israelischen Präventivschlag hält Kam in den kommenden sechs Monaten für ausgeschlossen. Die militärische Option sei erst dann wieder relevant, wenn die Vereinbarungen nicht länger gültig seien. Er geht davon aus, dass es Israel mit der Drohung, Irans Nuklearanlagen anzugreifen, grundsätzlich sehr ernst sei.
In der Online-Ausgabe der Zeitung „Yediot Achronot“ zeigte sich Ron Ben-Ischai, Analyst für Verteidigungsfragen, vorerst zufrieden über die in Genf erzielte Einigung. Voraussetzung sei allerdings, dass spätestens in einem Jahr ein Vertrag über die nukleare und militärische Abrüstung des Iran folge.

Weitere Infos: www.diepresse.com/iran

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2013)

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