Ägypten: Die Rückkehr des Polizeistaats

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Die Behörden gehen nun auch gegen säkulare "Revolutionäre" vor - und ein Komitee beschließt einen Verfassungsentwurf, der die Macht des Militärs einzementiert.

Kairo.„Sie stimmen ab über eine Verfassung, die angeblich die Revolution vollenden soll, und werfen gleichzeitig die Revolutionäre in den Kerker“, twitterte empört eine Aktivistin. An diesem Wochenende kam beides zusammen – und so schlitterte Ägypten fünf Monate nach dem Sturz von Mohammed Mursi wieder tiefer in seine katastrophale innere Zerrissenheit. Denn auf der einen Seite nahmen sich Polizeiapparat und alte Mubarak-Seilschaften erstmals auch die säkulare Demokratiebewegung in aller Härte vor.

Auf der anderen Seite ratifizierte der von der Interimsregierung ernannte 50-köpfige Verfassungsrat, als wäre nichts geschehen, sämtliche 247 Artikel des neuen Entwurfstextes, der die postrevolutionäre Verfassung 2012 unter Mohammed Mursi ersetzen soll.

Im kommenden Jänner soll das revidierte Grundgesetz dem Volk für ein Referendum vorgelegt werden. Bis zum Sommer sind dann Parlamentswahlen geplant, und spätestens im Herbst 2014 könnte die Bevölkerung über einen neuen Präsidenten abstimmen.

Prominente Aktivisten in Haft

Politisch scheint es, als würden in Ägypten schon vor dem geplanten Verfassungsreferendum die Uhren zurückgedreht. So nahm die Polizei in den vergangenen Tagen demonstrativ zwei prominente Galionsfiguren der Demokratiebewegung sowie 24 ihrer Mitstreiter fest. Alaa Abdel Fattah wurde nachts von einem 20-köpfigen Rollkommando der Polizei aus dem Bett geholt, er und seine Frau Manal Hassan geohrfeigt und verprügelt. Diese stellte später Fotos mit den Blutspritzern ihres Mannes an der Tapete des Schlafzimmers ins Internet. Ahmed Maher, Mitbegründer der „Bewegung 6. April“ und einer der wichtigsten Vorkämpfer des Arabischem Frühlings 2011, stellte sich am Samstag freiwillig. Beiden wirft die Staatsanwaltschaft vor, sie hätten Menschen aufgestachelt, an einer verbotenen Demonstration teilzunehmen. Er bestreite den Vorwurf nicht, gab Alaa Abdel Fattah zu Protokoll. „Es ist eine Ehre, dafür verantwortlich zu sein, dass die Bürger gegen die Rückkehr des Mubarak-Staats demonstrieren.“ Die regimetreuen Staatszeitungen hatten vor Tagen bereits ihr Fähnchen nach dem neuen Wind gedreht und verunglimpfen die Demokratieaktivisten nun pauschal als „Hooligans“.

Gremium nicht legitimiert

Kein Wunder, dass in diesem verhetzten Klima die Schlussabstimmung über den Verfassungsentwurf nicht zu einem versöhnlichen demokratischen Akt geriet, sondern zu einem fragwürdigen Prozedere – untermalt von Polizeiübergriffen, überharten Gerichtsurteilen, Straßenschlachten und wüsten Drohungen.

Zudem ist das 50-köpfige Verfassungsgremium in keiner Weise demokratisch legitimiert. Es wurde von Übergangspräsident Adly Mansour per Dekret ernannt, die detaillierte Überarbeitung der bisherigen Verfassung fand praktisch hinter verschlossenen Türen statt. Wurden die Debatten der verfassungsgebenden Versammlung während der Präsidentschaft von Mohammed Mursi noch regelmäßig live im Fernsehen übertragen, erfuhr die ägyptische Öffentlichkeit diesmal so gut wie nichts über den zweimonatigen Beratungsprozess.

Verbot religiöser Parteien

Erst am Wochenende, bei der Abstimmung der einzelnen Artikel, kam der endgültige Wortlaut nun Zug um Zug ans Tageslicht. Die Rolle der Scharia als wichtigster Quelle des Rechts aus der alten Mubarak-Verfassung bleibt unangetastet, islamische Gelehrte der Al-Azhar-Universität dagegen haben bei der Gesetzgebung keine Mitsprache mehr, wie das die Mursi-Verfassung vorsah. Religiöse Parteien werden verboten, erlaubt aber sind Parteien, die sich auf ein islamisches Wertefundament berufen. Zentral und unangetastet bleibt die Rolle des Militärs.

Der Verteidigungsminister kann nur im Einvernehmen mit der Armeespitze ernannt werden. Die gefürchteten Prozesse gegen Zivilisten vor Militärgerichten werden in bestimmten Fällen erlaubt. Und der Schattenhaushalt der Armee bleibt der Kontrolle der Volksvertreter auch in Zukunft komplett entzogen.

AUF EINEN BLICK

Die ägyptischen Behörden gingen erstmals nun auch gegen die säkularen Anführer des Arabischen Frühlings vor. Zwei prominente Galionsfiguren – Ahmed Maher und Alaa Abdel Fattah – wurden festgenommen.

Zugleich beschloss ein Verfassungsgremium den Entwurf für Ägyptens neues Grundgesetz: Dieser sichert dem regierenden Militärapparat zahlreiche Sonderrechte und vor allem Einfluss. Religiöse Parteien sollen dem Entwurf zufolge verboten werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2013)

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