Deutschland: Kein Paradies für Freier mehr

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Union und SPD planen schärfere Regeln für die üppig wuchernde Prostitution. „Flatrate“-Angebote sollen verboten werden. Kunden von Zwangsprostituierten drohen Strafen.

Berlin. In „Flatrate“-Bordellen haben Männer zum Pauschalpreis so oft Sex, wie sie wollen. Oft auch in der Gruppe, auch ohne Kondom. Zu ihren Diensten stehen blutjunge Mädchen aus Bulgarien und Rumänien, die Menschenhändler angelockt haben. Sie dürfen nichts und niemanden ablehnen. Manche werden regelrecht eingesperrt. Aus Skandinavien, Asien und den USA strömen die Kunden zum organisierten, billigen Puffurlaub nach Deutschland.

Solchem Treiben wollen Union und SPD nun Einhalt gebieten. Der in der Vorwoche beschlossene Koalitionsvertrag sieht vor, die bisher sehr liberalen Regelungen deutlich zu verschärfen.
„Menschenverachtende Praktiken wie Flatrate-Sex gehören verboten“, postulierte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig schon während der Verhandlungen. Aus der CDU wurde nun bestätigt, dass ein Verbot geplant ist.

Bordelle dürfen nur mit einer besonderen Erlaubnis betrieben werden. Erstmals machen sich wohl bald auch Freier strafbar – allerdings nur unter bestimmten Umständen: wenn sie wissentlich die Zwangslage von Frauen ausnutzen. Bisher fürchtete man, der juristische Nachweis für diesen neuen Strafbestand könne kaum zu erbringen sein. Was den Politikern hier als eindeutiger Fall vorschwebt, hat ein Verhandlungsteilnehmer der „Süddeutschen“ erklärte: „Ein Club, der vorn und hinten von Rockern überwacht wird und in dem vor allem junge Frauen aus Osteuropa angeboten werden, muss jeden Menschen mit gesundem Menschenverstand misstrauisch machen.“

Aufenthaltsrecht für Opfer

Opfer von Zwangsprostitution, die illegal im Land leben, sollen leichter ein Aufenthaltsrecht bekommen, auch wenn sie nur allgemein zur Aufklärung beitragen. Bisher mussten sie dafür vor Gericht konkret gegen ihre Peiniger aussagen.

Mit diesen Maßnahmen rudert die deutsche Politik spät, aber kräftig zurück. Anfang 2002 setzte die rot-grüne Regierung eine der liberalsten Regelungen der Welt in Kraft: Prostitution ist nicht mehr sittenwidrig und gilt als Dienstleistung wie viele andere. Prostituierte können sich bei der Sozialversicherung anmelden und ihren Lohn einklagen, Bordellbesitzer ihre Etablissements gewerblich melden. Das Ziel: Wenn das Geschäft mit dem Körper aus seiner Schmuddelecke ans helle Licht kommt, können sich die Sexarbeiterinnen aus Zwang und Abhängigkeit befreien.

Elf Jahre später steht fest: Das war eine naive Hoffnung. Ganze 44 Prostituierte sind sozialversichert (darunter vier Männer). Der Markt wächst hingegen rasant. Profitiert haben vor allem Puffbesitzer und Zuhälter, deren Tätigkeit nicht mehr in jedem Fall strafbar ist. Für Prostituierte ist das Geschäft härter geworden. Seit Rumänien und Bulgarien EU-Mitglieder sind, strömen bitterarme Frauen in den Binnenmarkt, um ihre Körper billig feilzubieten. Vor allem nach Deutschland. Denn hier, so der Ruf, ist alles möglich, alles legal.

Warnende Stimmen

Ein „Tatort“ und ein „Spiegel“-Cover machten den Frauenhandel zum Thema. Der britische „Economist“ beschrieb Deutschland als „gigantisches Bordell“. Das hat die Politik auf den Plan gerufen. Auch die SPD-Frauen, obwohl es um ein Gesetz ihrer Partei geht, das nun am Prüfstand und Pranger steht. Aus Teilen der SPD und vonseiten der Grünen gab es während der Koalitionsverhandlungen aber auch warnende Stimmen. Die Befürchtung: Wer freiwillig ausgeübte Prostitution wieder in die Illegalität treibt, vergrößere nur die Gefahr von Ausbeutung und Gewalt.

Auch in Frankreich tobt seit Wochen diese Debatte. Politisch ist sie seit Freitag entschieden, und zwar wesentlich radikaler als in Deutschland: Prostitution ist wieder verboten, französische Freier müssen künftig Strafe zahlen – unabhängig davon, ob Zwang im Spiel war oder nicht.

Auf einen Blick

Prostitution ist in Deutschland seit 2002 legalisiert. Das sehr liberale Gesetz hat Nebenwirkungen: Der Mädchenhandel aus Osteuropa und der Sextourismus nehmen rasant zu. Die künftige Große Koalition zieht nun die Notbremse. Sie will Flatrate-Bordelle verbieten. Erstmals machen sich künftig auch Freier strafbar, wenn sie die Zwangslage von Frauen wissentlich ausnutzen. Zudem sollen Opfer, die illegal in Deutschland leben, leichter ein Aufenthaltsrecht erhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2013)

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