Frankreichs linker Innenminister, der nach rechts schielt

(c) Reuters (CHARLES PLATIAU)
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Teile der eigenen Partei kritisieren Manuel Valls' „Populismus“. Doch der Innenminister ist Frankreichs beliebtestes Regierungsmitglied.

Paris. Frankreichs Präsident, François Hollande, und seine Regierung sind höchst unpopulär. Mit einer bemerkenswerten Ausnahme: Kein Politiker ist in Frankreich so beliebt und geschätzt wie Innenminister Manuel Valls. Wie man als Verantwortlicher für die innere Sicherheit und den Kampf gegen das Verbrechen bei den Bürgern punkten kann, das hatte schon Nicolas Sarkozy vorgemacht. Der hatte mit forschem Vorgehen und markigen Sprüchen gegen Terroristen wie kleine Ganoven so sehr beeindruckt, dass er schließlich zum Präsidenten gewählt wurde. Warum soll die Masche nicht ein zweites Mal funktionieren? Das zumindest scheint sich der gegenwärtige Innenminister zu sagen.

Manuel Valls ist zwar ein Sozialist und Mitglied der Linksregierung von Präsident Hollande, doch wenn es um die innere Sicherheit und Ordnung geht, tönt er nicht viel anders als früher sein konservativer Amtsvorgänger Sarkozy. Schon seit Jahren, als er noch nicht Minister war, sich aber als Abgeordneter und vor allem als Bürgermeister der Pariser Vorstadt Evry als Spezialist für die Sicherheitspolitik profilierte, klebt an Valls das Etikett eines „linken Sarkozy“. Was er selbst nicht unbedingt für schmeichelhaft hält. Er besteht lieber darauf, dass der Kampf für die Sicherheit eine Priorität der Linken sei. Oft aber schwimmt er in seiner Partei gegen den Strom: Er hatte sich früh schon für eine Lockerung der 35-Stunden-Woche und gegen das von seiner Partei vorgeschlagene kommunale Ausländerstimmrecht oder auch einen straflosen Cannabis-Konsum ausgesprochen.

Valls ist sehr ehrgeizig, er wollte ursprünglich selbst für die Nachfolge von Sarkozy kandidieren. Bei der internen Vorausscheidung landete er knapp hinter Ségolène Royal auf dem fünften Platz. Seine professionelle Kampagne hatte aber ein so gutes Medienecho, dass der siegreiche Hollande ihn danach zum Chefsprecher seines Präsidentschaftswahlkampfs ernannte. Heute weiß der Präsident, dass Valls zwar ein Ärgernis für die Linke darstellt, zugleich aber Sympathien bis weit rechts einbringt.

Abfällige Sprüche über Roma

Valls ist sportlich, energisch und sieht mit seinen 51 Jahren recht gut aus – was in der Politik nie schadet. Wenn in Marseille Drogendealer einander Bandenkriege mit Kalaschnikows liefern, fackelt er nicht lange und schickt einfach mehr Polizei an die Front.

Da er selbst als geborener Katalane und Sohn einer Tessinerin erst mit 20 Jahren durch Einbürgerung Franzose wurde, behauptet er zwar, über jeden Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit erhaben zu sein. Doch erst kürzlich musste er sich für seine abfälligen Äußerungen über Roma-Familien entschuldigen. Diese seien wegen ihres „extrem anderen Lebensstils“ nicht integrierbar, hatte er gesagt.

Sprung ins Premiersamt?

Manche Linkswähler waren über diese „populistischen Sprüche“ schockiert. Dennoch hat sich Hollande hinter Valls gestellt. Denn Hollande hat Angst davor, sich das einzige wirklich populäre Regierungsmitglied zum Gegner zu machen. Es wird spekuliert, dass Valls nach einem absehbaren Wahldebakel seiner Partei im Frühling 2014 nächster Premier Frankreichs wird, wenn sich Hollande dazu durchringen muss, Regierungschef Jean-Marc Ayrault zu ersetzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2013)

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