"Kurden kämpfen auch für Europa gegen die al-Qaida"

(c) Reuters (PHILIPPE WOJAZER)
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Der Chef der Kurdenpartei PYD fordert im Interview mit der "Presse" Hilfe des Westens und Druck auf die Türkei.

Die Presse: Ihre Partei PYD hat jetzt doch zugestimmt, an den Syrien-Friedensverhandlungen, die am 22.Jänner in Genf stattfinden sollen, teilzunehmen. Was erwarten Sie sich davon?

Saleh Muslim Mohamed: Wir bemühen uns, als eigene kurdische Delegation daran teilzunehmen. Oder auch als Teil der syrischen Oppositionsdelegation, wenn die arabische Opposition die demokratischen Rechte der Kurden akzeptiert und das mit einem Abkommen bestätigt. Wir erwarten, die kurdische Frage innerhalb der syrischen Strukturen zu lösen.

Die PYD hat aber eine Art Autonomie der von ihr kontrollierten Kurdengebiete in Syrien ausgerufen. Ist die Kurdenregion im Nordirak das Vorbild dafür?

Nein. Die Autonome Region Kurdistan im Irak ist für uns kein passendes Modell. Ein Jahr nachdem wir die Kurdengebiete in Syrien von den Regimetruppen befreit hatten, dachten wir, es wäre nötig, eine Verwaltung einzurichten. Dabei haben wir alle anderen Gruppen in dem Gebiet, wie die Araber, Assyrer, Turkmenen, miteinbezogen. In diesem Gebiet gibt es keine Autonomie, sondern eine demokratische Übergangsverwaltung.

Ihre Kämpfer gehören nicht zur Freien Syrischen Armee (FSA), der Dachorganisation der Rebellen. Sehen Sie eine Möglichkeit, der FSA beizutreten?

Wir können uns mit der FSA koordinieren. Das Problem ist aber: Die FSA ist kein homogener Körper. Unter den Kämpfern der Opposition gehört nur eine Minderheit von 20 Prozent zur FSA, der Rest sind Extremisten: Salafisten und Jihadisten, die al-Qaida nahestehen. Mit den FSA-Kämpfern, die aus der syrischen Armee desertiert sind, um die Menschen zu beschützen, können wir kooperieren. Aber nicht mit den Salafisten. Die Salafisten kämpfen gegen uns.

Aber sind diese Extremisten wirklich so stark?

Ja. Sie versuchen in unsere Kurdengebiete einzudringen, aber wir hindern sie daran. Sie kommen aus verschiedensten Ländern: aus Libyen, Tunesien, Tschetschenien, aus den Golfstaaten. Sie erhalten Geld von außen. Und sie werden in Camps in der Türkei ausgebildet.

In der Türkei? Von wem?

Wir wissen es nicht genau. Die türkische Regierung kann aber jedenfalls nicht behaupten, dass sie von alledem nichts weiß. Wir erwarten, dass internationaler Druck auf die Türkei ausgeübt wird, damit sie aufhört, salafistische Kämpfer in unser Gebiet zu schicken. Wir stehen allein da. Aber wir verteidigen uns gegen die Extremisten. Und wir denken, dass wir damit auch für Europa gegen die al-Qaida kämpfen. Denn was würde es für Europa bedeuten, wenn diese Extremisten in Syrien die Macht übernehmen? Deshalb würden wir uns diplomatische und humanitäre Hilfe aus dem Westen erwarten. Aber es kommt nichts.

Sie haben gesagt, alle Gruppen in den Kurdengebieten miteinbeziehen zu wollen. Nun gibt es aber Vorwürfe anderer kurdischer Parteien, dass sich die PYD immer autoritärer benimmt.

Das stimmt nicht. Vielleicht waren die PYD und ihre bewaffnete Kräfte, die YPG, die Ersten, die ein Sicherheitssystem hatten. Aber wir wollen, dass dieses System nicht nur der PYD dient, sondern ein nationales Verteidigungssystem ist. Wir haben auch Schulen aufgebaut. Aber einige andere Parteien behaupten jetzt, dass das alles zur PYD gehöre – als Ausrede dafür, dass sie selbst bisher nichts getan haben. Und diese Parteien wollen ihre eigene Miliz. Aber das ist sehr gefährlich. Das könnte zu Kämpfen zwischen Brüdern führen, so wie früher im Irak. Wir wollen deshalb nicht, dass jede Partei ihre eigenen bewaffneten Kräfte hat.

Es gibt auch Vorwürfe, dass PYD-Kämpfer Personen anderer kurdischer Gruppen verhaften.

Das ist nicht wahr. Wir haben jetzt die Asaish, die Sicherheitskräfte, und die repräsentieren alle Gruppen und Nationen.

Vor einigen Monaten schossen in der Stadt Amude die Asaish und PYD-Kämpfer auf Demonstranten. Einige Quellen sprechen von einem Aufstand gegen die PYD wegen mehrerer Verhaftungen.

Nein, das war kein Aufstand. Einer Gruppe unserer Kämpfer wurde der Weg versperrt, als sie durch Amude kam – nicht nur von Zivilisten, sondern auch von Bewaffneten. Das Ergebnis waren Zusammenstöße, und sieben Menschen starben. Was in Amude geschehen ist, hätte nicht passieren dürfen. Unsere Kämpfer mussten sich wehren. Aber wir sehen das natürlich als Fehler an und haben uns entschuldigt. Ja, es wurden Personen verhaftet, die zu bestimmten Parteien gehörten, weil sie einen Plan hatten, diese Zusammenstöße über Amude hinaus auszudehnen.

ZUR PERSON

Saleh Muslim Mohamed ist einer der beiden Chefs der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD). Sie gilt als Schwesterbewegung der türkisch-kurdischen Untergrundorganisation PKK. Sowohl die PYD als auch die PKK pochen offiziell darauf, voneinander unabhängige Parteien zu sein. Die PYD sagt aber auch, dass sie sich die Ideen des in der Türkei inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan zum Vorbild nimmt. Die PYD kontrolliert militärisch die Kurdengebiete in Syrien. [ Fabry ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2014)

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