Die Christenverfolgung nimmt zu

100 Millionen Christen werden weltweit verfolgt.
100 Millionen Christen werden weltweit verfolgt.(c) APA (Georg Hochmuth)
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Die Situation der größten Religionsgemeinschaft der Welt hat sich im abgelaufenen Jahr dramatisch verschlechtert. Von Nordkorea bis Somalia müssen Christen für ihren Glauben leiden.

Wien. „Sie sind wie Ameisen. Sie arbeiten den ganzen Tag, bis sie eines Tages totgetreten werden. Ihre Leben bedeuten nichts“, sagt ein Pastor über die Situation der Christen in Nordkorea. Auf den Bibelbesitz kann in der abgeschotteten Familiendiktatur die Todesstrafe stehen, zumindest erwarten enttarnte Christen Arbeits- oder Umerziehungslager, deren Besuch oft ebenfalls tödlich endet. 50.000 bis 70.000 nordkoreanische Gläubige sind in Haft, schätzt die christliche Organisation Open Doors. Wo Diktatoren wie Götter zu verehren sind, ist eben kein Platz für Religion.

Im Weltverfolgungsindex von Open Doors nimmt Nordkorea auch heuer den traurigen Spitzenplatz ein. Zum zwölften Mal in Folge. Der Index listet jene 50 Länder auf, in denen es Christen 2013 am schwersten hatten. Es ist eine Tabelle des Grauens, die der „Presse“ vorliegt. Und sie weist einen alarmierenden Befund auf: Im Vorjahr hat sich die Situation der Christen verschlechtert – und zwar in 34 Ländern. Nur in Tansania und Mali, wo das französische Militär Anfang des Vorjahrs gegen islamistische Rebellen interveniert hatte, besserte sich ihre Situation deutlich, in drei weiteren Staaten  leicht.

70.000 getötet, 100 Millionen verfolgt


70.000 Christen wurden 2013 wegen ihres Glaubens getötet, schätzte der renommierte Turiner Soziologe Massimo Introvigne. 100 Millionen Christen werden weltweit verfolgt, konstatiert nun Open Doors. Beide Zahlen lassen sich nicht verifizieren. Außer Frage steht jedoch: Keine Religion zählt weltweit mehr Verfolgte als das Christentum.

Am Horn von Afrika ist ihre Situation besonders dramatisch: Der gescheiterte Staat Somalia verdrängte Saudiarabien von Platz zwei, obwohl sich auf der arabischen Halbinsel nichts zum Besseren gewendet hatte. Kirchen sind noch immer verboten, genauso wie jede öffentliche Glaubensbekundung von Nichtmuslimen. Doch in Somalia leben Christen, verfolgt von Clanführern und der islamistischen Shabaab-Miliz, in ständiger Todesangst. „Ein falsches Wort zur falschen Person, und du verlierst im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf“, zitiert Open Doors einen Christen aus dem ostafrikanischen Land.

Syrien schob sich von Platz elf auf Platz drei vor: In dem Bürgerkriegsland beherrschen al-Qaida-Ableger ganze Landstriche und legen dort das islamische Recht, die Scharia, besonders streng und pervertiert aus. Mit dem Irak, Afghanistan, dem Inselparadies Malediven, Pakistan, dem Iran und dem Jemen komplettieren sechs weitere mehrheitlich muslimische Länder die „Top Ten“. Islamistischer Extremismus sei jedenfalls die größte Gefahr, warnt Open Doors.

Christenverfolgung beschränkt sich aber nicht auf muslimische Länder: Totalitäre Regimes rund um den Globus sehen in Andersgläubigen den Keim der Opposition, den es auszumerzen oder zumindest unter Kontrolle zu halten gilt. Im kommunistischen Vietnam schränkt seit dem Vorjahr das sogenannte Dekret 92 die Religionsfreiheit ein.

Oft sind die Täter auch nicht der Staat, sondern die engsten Vertrauten: „Bei muslimischen Konvertiten geht die Verfolgung zumeist zunächst von der Familie aus“, sagt Kurt Igler von Open Doors. In einigen Fällen ist es auch die Abwesenheit des Staats, die Verfolgung erst möglich macht. Kolumbien etwa rückte von Platz 46 auf 25 vor, Rebellen töten dort Christen, die sich ihren Drogengeschäften in den Weg stellen.

Der höchste „Neueinstieg“ kommt aber wieder aus Afrika: Die von einem religiös aufgeladenen Bürgerkrieg geschundene Zentralafrikanische Republik – von null auf 16.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2014)

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