Krieg um Zentralafrika: Putsch-Präsident muss gehen

A French soldier patrols past a house on fire at a village in Bossangoa
A French soldier patrols past a house on fire at a village in BossangoaREUTERS
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Es ist eine "Spirale in den Genozid": Islamisten kämpfen gegen christliche Milizen. Nun zwingen Nachbarländer Präsident Djotodias zum Rückzug.

Der Interimspräsident als auch der Regierungschef der Zentralafrikanischen Republik, Michel Djotodia und Nicolas Tiangaye, haben am Freitag ihren Rücktritt erklärt. Das teilten die Teilnehmer des Gipfels regionaler Staats-und Regierungschefs im Tschad zur Lage in dem Krisenland in einer Abschlusserklärung mit.

Bereits am Mittwochabend gab es Gerüchte über den Rückzug Djotodias. Nach Angaben aus Verhandlerkreisen in N'Djamena wurden der Präsident und sein Premier von den anderen Gipfelteilnehmern zum Rückzug gezwungen. In Zentralafrika kämpfen seit einem Putsch im März 2013 radikale Islamisten gegen christliche Milizen.

Gespräche über eine neue Führung in der Zentralafrikanischen Republik würden zu einem späteren Zeitpunkt in Bangui geführt, hieß es in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung nach einem regionalen Gipfeltreffen im benachbarten Tschad.

In Bangui selbst kam es unter den Gegnern von Interimspräsident Michel Djotodia, die zuvor noch gegen diesen demonstrierten, zu spontanen Feiern auf den Straßen.

File photo shows Central African Republic's interim President Michel Djotodia sitting during a conference in Bangui
File photo shows Central African Republic's interim President Michel Djotodia sitting during a conference in BanguiREUTERS

Der Konflikt zwischen den Religionen hattesich während der fast genau zehnjährigen Präsidentschaft von Francois Bozizes gefestigt. Von 2003 bis 2013 konzentrierten sich die Aktivitäten der Regierung hauptsächlich auf die Hauptstadt Bangui und deren Umgebung. Andere Regionen verarmten, verschwanden von der politischen Landkarte. Vor allem betraf dies den Nordosten des Landes, in dem die Mehrheit der muslimischen Bevölkerung ansässig ist.

Die Hälfte der rund fünf Millionen Einwohner Zentralafrikas sind Christen (25 Prozent protestantisch, 25 Prozent römisch-katholisch, Anm.), nur zehn bis 15 Prozent gehören dem Islam an. Der Rest bekennt sich zu indigenen Religionen.

Aufgrund der Vernachlässigung durch die Regierung und mit Hilfe ausländischer Unterstützung formierte sich nach und nach Widerstand gegen Bozize, der sich schlussendlich in der Rebellenorganisation Seleka ("Allianz") zusammenschloss. Friedensvereinbarungen zwischen Regierung und Rebellen wurden nicht jedoch umgesetzt, Versprechungen des Staatsoberhauptes, die Aufständischen in die Armee einzugliedern, wurden nie eingehalten.

"Spirale in den Genozid"

Ende März vergangenen Jahres entluden sich die Spannungen und gipfelte in dem Putsch gegen Bozize. Gleichzeitig nahmen die radikalen Islamisten der Seleka Bangui ein, Djotodia erklärte sich zum ersten muslimischen Präsidenten. Seither gibt es verstärkt bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen, im November warnten die Vereinten Nationen sogar vor einer "Spirale in den Genozid". Im kürzlich erschienen "Weltverfolgungsindex" (Karte) wird die Zentralafrikanische Republik heuer erstmals genannt (Platz 16).

Aufgrund der teils massiven Christenverfolgung bewaffnete sich die christliche Bevölkerung, Bürgermilizen wie die Anti-Balaka-Miliz ("Anti-Schwert"/"Anti-Machete") entstanden. Anti-Balaka soll für einen Anschlag auf eine muslimische Gruppe in der Stadt Boali nahe der Hauptstadt, bei der zwölf Menschen getötet wurden, verantwortlich sein.

 Die blutigen Kämpfe zwischen den Konfessionsgruppen trieb bisher rund 800.000 Menschen in die Flucht, laut dem UNO-Büro für die Koordinierung von Nothilfe (OCHA) in Genf sind 2,2 Millionen Einwohner - also knapp die Hälfte der Bevölkerung - auf Nothilfe angewiesen. In Bangui musste jeder zweite (513.000) seine Wohnung verlassen, mehr als 100.000 leben in einem Camp des OCHA in der Nähe des Flughafens.

Afrikanische und französische Truppen sollen die Gewalt einzudämmen, derzeit diskutiert auch die EU über einen militärischen Einsatz in Zentralafrika.

(APA)

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