"NSA lügt": Ex-NSA-Mitarbeiter kritisieren Obamas Rede

Founder of Code Pink protests against U.S. President Barack Obama and the NSA before arrival at Department of Justice in Washington
Founder of Code Pink protests against U.S. President Barack Obama and the NSA before arrival at Department of Justice in Washington(c) Reuters (LARRY DOWNING)
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Der US-Präsident hat Reformen des US-Auslandsgeheimdienstes angekündigt. Politikern, Datenschützern und ehemaligen Mitarbeitern gehen seine Vorhaben nicht weit genug.

Nach der Rede von US-Präsident Barack Obama Rede zum Auslandsgeheimdienst National Security Agency, kurz NSA, haben nicht nur Politiker und Datenschützer kritische Töne für die aus ihrer Sicht zu schwachen Reformen gefunden. Auch drei Ex-Mitarbeiter des US-Geheimdienstes gingen mit Obama nach dessen Ansprache hart ins Gericht.

Die angekündigten Korrekturen gingen nicht weit genug, sagte Ex-NSA-Mann Russ Tice vor Journalisten in Washington. "Die NSA lügt, wenn sie behauptet, keine US-Bürger zu bespitzeln." Er könne bezeugen, dass die Behörde den Kongress, den Obersten Gerichtshof und Journalisten überwacht habe. Es seien ranghohe Politiker überwacht worden - darunter auch Barack Obama. Beweise dafür könne er jedoch nicht vorlegen. Tice bezweifelte, dass es der NSA nur um Metadaten wie Gesprächsdauer und Telefonnummern gehe: "Bisher sammeln sie Inhalte, Wort für Wort."

Sein Ex-Kollege J. Kirk Wiebe kritisierte, dass Obama das massenhafte Sammeln und Speichern von Daten nicht angesprochen habe. "Die NSA sammelt jede SMS. Das sind keine Metadaten." Er forderte eine unabhängige Gruppe von IT-Spezialisten, die sicherstellen sollten, dass die NSA keine Daten missbraucht.

Der ehemalige NSA-Mitarbeiter Bill Benney lobte Obamas Absicht, die Arbeit des Geheimdienstes transparenter zu machen. Es müsse aber sichergestellt sein, dass nur verdächtige Menschen überwacht werden.

Darf weiter Daten sammeln

Unter den neuen Auflagen sollen NSA und andere US-Behörden Menschen im In- und Ausland aber auch künftig überwachen und deren Daten massenhaft sammeln dürfen. Zu den Korrekturen gehören unter anderem strengere Regeln für die NSA, wenn sie die Details der Telefonate einsehen will, die von Hunderten Millionen Amerikanern gesammelt werden. Zudem sollen diese Meta-Daten künftig nicht mehr von der Regierung gespeichert werden.

Ausländer sollen beim Schutz ihrer Privatsphäre künftig mehr Schutz genießen. Die Überwachung von Staats- und Regierungschefs befreundeter Länder soll nur noch erlaubt sein, wenn die nationale Sicherheit der USA dies zwingend erforderlich macht.

Bei diesen Korrekturen gelte es, die Sicherheit der Vereinigten Staaten und die Privatsphäre Einzelner in Einklang zu bringen, sagte Obama. "Diese Aufgabe wird nicht über Nacht gelöst werden, und bei dem Tempo technologischer Veränderungen sollten wir nicht erwarten, dass dies das letzte Mal ist, dass Amerika diese Debatte führt." Im Grundsatz verteidigte er die Arbeit der Geheimdienste aber und sagte, dass diese ihre Macht weder missbraucht noch Gesetz gebrochen hätten.

NSA-Korrekturen

- Die Überwachung AUSLÄNDISCHER STAATS- UND REGIERUNGSCHEFS soll nur noch in Fällen erlaubt sein, in denen dies aus Gründen der nationalen Sicherheit der USA zwingend erforderlich ist. Dies soll allerdings nur für "enge Freunde und Verbündete" gelten. Welche Staaten für die USA dazu gehören, blieb am Freitag unklar.

- TELEFONDATEN sollen weiterhin gesammelt, aber nicht mehr vom Staat gespeichert werden. Führende Mitarbeiter der Geheimdienste und der US-Justizminister Eric Holder sollen bis 28. März Alternativen für die Daten-Speicherung an anderer Stelle ausarbeiten. Die Daten allein bei Telefongesellschaften zu speichern, bezeichnete Obama aber als schwierige Aufgabe.

- Die Überwachung soll ENGER AUF DIE VERDÄCHTIGEN gerichtet werden: Künftig sollen nur noch Menschen abgehört werden dürfen, die selbst mit einem Verdächtigen Kontakt hatten, nicht aber diejenigen, die mit der Kontaktperson telefonierten.

- AUSLÄNDER sollen beim Schutz ihrer Privatsphäre künftig teilweise mit US-Bürgern gleichgestellt werden. Im Detail geht es darum, wie lange persönliche Daten gespeichert werden und wie diese Informationen verwendet werden dürfen.

- Mit einer JÄHRLICHEN ÜBERPRÜFUNG der Geheimdienst-Prioritäten will das Weiße Haus sicherstellen, dass die Sicherheit der USA und die wirtschaftlichen Beziehungen mit Handelspartnern sowie die Privatsphäre und grundlegende Freiheiten in Balance gebracht werden.

- Das GEHEIMGERICHT, das die Zustimmung zu NSA-Aktivitäten alle 90 Tage routinemäßig erneuert, soll transparenter werden. Ein vom Kongress eingesetztes unabhängiges Gremium soll sich vor diesem Gericht bei bedeutenden Fällen einschalten.

- NATIONALE SICHERHEITSBRIEFE sollen künftig nur noch geheim bleiben, wenn die US-Behörden nachweisen können, dass diese unter Verschluss bleiben müssen. Mit diesen Briefen fordert die Bundespolizei FBI bei Unternehmen Kundeninformationen an. Können sie den Nachweis nicht erbringen, sollen die Briefe öffentlich werden.

- Auch PERSONALÄNDERUNGEN sollen helfen, die angekündigten Korrekturen durchzusetzen, besonders durch einen neu zu ernennenden Sonderbeauftragten des Weißen Hauses. Ein weiterer Beauftragter beim US-Außenministerium soll diplomatische Beziehungen pflegen, die von der US-Geheimdienstarbeit betroffen sind. Obamas Berater John Podesta soll mit großen Unternehmen Regeln für die Sammlung großer Datenmengen ausarbeiten.

Beobachter werteten die Rede im Justizministerium unterschiedlich. Von einer "scharfen Beschneidung" und der "bedeutendsten Reform der US-Spionage seit einem Jahrzehnt" sprach etwa das "Wall Street Journal". Da Obama die Umsetzung seinen Mitarbeitern und dem Kongress überlässt, sei aber fraglich, ob die Reformen auch umgesetzt würden, so die "Washington Post". Von "vorsichtigen Korrekturen" sprach etwa die "New York Times". NSA-Kritikern wie Wikileaks-Gründer Julian Assange gingen die Neuerungen nicht weit genug.

Lob aus Europa

Aus Europa erntete Obama dagegen viel Lob für seine ausführliche Rede zur US-Spionage. Die Sprecherin der EU-Kommission teilte in Brüssel mit, das Vorgehen Obamas zeige, dass berechtigte Sorgen der EU in Washington gehört wurden. Auch die deutsche Bundesregierung begrüßte die Korrekturen grundsätzlich, wie Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte. Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Justizminister Heiko Maas (beide SPD) fanden positive Worte. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele sagte, Obama habe eine große Rede gehalten.

(APA/dpa)

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