Südtirol: "Österreich bitten, wachsam zu sein"

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Landeshauptmann Arno Kompatscher ist auf Antrittsbesuch in Wien. Im Interview spricht er über Fehler der SVP vor der Wahl, Österreich als Vaterland und seine Zeit als Hausmann.

Die Presse: Sie werden heute Werner Faymann treffen. Worüber spricht der Südtiroler Landeshauptmann mit dem österreichischen Bundeskanzler?

Arno Kompatscher: Mein Antrittsbesuch ist ein Zeichen der Verbundenheit mit dem Vaterland Österreich. Aber ich werde auch tagesaktuelle Themen ansprechen.

Die da wären?

In Italien läuft gerade die Debatte über eine Reform des Parlaments. Die Diskussion gibt es ständig, aber es scheint nun ernst zu werden. Wir als Minderheit wünschen uns, dass unsere Rechte gewahrt bleiben. Ich werde Österreich darum bitten, wachsam darauf zu achten.

Ist das Prinzip Schutzmacht für Sie noch aktuell?

Die Schutzfunktion ist nach wie vor aktuell. Die Südtirol-Frage ist keine innerstaatliche Angelegenheit. Obwohl man sie nicht ohne Weiteres aufruft, gibt es diese Absicherung.

Man solle nicht wegen jeder Kleinigkeit zu Mama Österreich laufen, so hat Ihr Vorgänger Luis Durnwalder es formuliert.

Es ist unsere Aufgabe, Südtirol-Politik zu machen. Wir wollen ja nicht wegen jeder Kleinigkeit in Wien anklopfen.

Ist Österreich für Sie tatsächlich noch ein Vaterland?

Ja. Nüchtern betrachtet sind wir italienische Staatsbürger, aber von der Nationalität her eher nicht als Italiener zu definieren. Das ist keine Wertung, sondern die Feststellung einer Tatsache.

Ihr Koalitionspartner PD, die italienischen Sozialdemokraten, wollten gemischtsprachige Schulen, also keine Trennung für deutsch- und italienischsprachige Kinder. Im Koalitionspakt steht diese Forderung aber nicht.

Der muttersprachliche Unterricht gemäß des Autonomiestatuts darf nicht angerührt werden. Das wäre kontraproduktiv.

Warum?

Da würden wir uns langfristig zur Einsprachigkeit entwickeln. Deshalb zweifeln wir an gemischten Schulen. Aber auch, weil die deutschsprachigen Kinder zuerst die Standardsprache erlernen müssen. Wir sprechen ja unseren schönen Dialekt. Es ist nicht die Schule allein, die das Thema lösen kann.

Aber zumindest einen Teil davon.

Daher wollen wir die Sprachausbildung verbessern, den Fachunterricht in der Zweitsprache stärken.

In ladinischen Schulen gibt es bereits Unterricht in drei Sprachen.

Auf ganz Südtirol umwälzbar ist die Situation nicht. Weil Deutsch dort in der Standardsprache gesprochen wird und viele andere Dinge mehr. Wir haben uns für einen anderen Weg entschieden.

Und warum gibt es nicht im Kindergarten gemischte Gruppen?

De facto haben wir das schon längst. Kinder aller Sprachgruppen sind in einem Kindergarten.

Der Kindergarten selbst ist aber entweder als deutsch- oder italienischsprachig strukturiert.

Viele italienischsprachige Kinder und umgekehrt gehen in den jeweils anderen Kindergarten, um die Sprache zu erlernen. Werden beide Sprachen angeboten, ist der gewünschte Effekt weg.

Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.

Das Prinzip des Muttersprachenunterrichts ist wichtig, um die Sprachkompetenz in der eigenen Muttersprache zu erlangen. Ich weiß, da scheiden sich die Geister. Ich höre, Sie zweifeln auch. Das ist aber die Position der SVP.

Ich wollte einfach Ihre Argumentation verstehen. Aber wechseln wir das Thema. Am Wahltag haben Sie gesagt, Sie müssten erst analysieren, warum die SVP so viele Stimmen verloren hat. Wissen Sie es mittlerweile?

Es ist ein Bündel von Motiven. Es ist uns nicht gelungen, junge Wähler zu überzeugen. Vor allem beim Thema Autonomie. Dort haben wir die jungen Wähler nicht erreicht.

Die haben also eher rechtspopulistische Parteien gewählt. Distanzieren sich junge Südtiroler immer mehr von Rom?

Gerade Junge glauben eher an die scheinbar einfache Lösung eines eigenen Staates. Unsere Zukunftsvision ist komplexer. Wir müssen besser erklären, wohin wir wollen.

Sie sind sechsfacher Vater. Eine Frage, die oft Frauen gestellt wird: Wie schafft man es, Beruf und Familie zu vereinbaren?

Die Frage wird auch Männern gestellt, und das ist auch richtig so. Es ist sehr, sehr schwierig. Bei uns ist das sehr partnerschaftlich organisiert. Die Zeit, die wir haben, wollen wir entsprechend nützen.

Der Weg ist also, die wenige Zeit einfach intensiv zu nutzen?

Ja. Die Rollenverteilung war übrigens auch schon einmal anders.

Sie waren einmal Hausmann?

Ja, ein paar Jahre lang. Das hätten Sie mir jetzt nicht zugetraut, oder?

Man hört es nur selten.

Ja. Ich gebe aber zu, das ist schon lange her. Das war bei den ersten beiden Kindern so.

ZUR PERSON

Arno Kompatscher wurde 1971 in Völs am Schlern geboren. Seit Jänner 2014 ist er Südtiroler Landeshauptmann. Vorher war er Bürgermeister seiner Heimatgemeinde. Bei der Landtagswahl am 27. Oktober 2013 bekam seine Partei, die Südtiroler Volkspartei (SVP), knapp 46 Prozent der Stimmen. Damit verlor sie erstmals die absolute Mehrheit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2014)

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