Testet Russland illegale Atomraketen?

Start einer SS-29
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Angeblich bastelt Russland an Marschflugkörpern bzw. Raketen, die gegen den Vertrag zum Abbau von Mittelstreckenwaffen von 1987 verstoßen. Des lieben Friedens willen würden die USA dazu bisher eher schweigen.

Den ohnehin äußerst heiklen Beziehungen zwischen den USA und Russland erwächst ein Problem, das man eher mit einer vergangenen Ära verbindet: Wie die „New York Times" am Donnerstag berichtete, soll Russland bodengestützte, nuklear bestückbare Marschflugkörper testen, deren Reichweite einen Kernvertrag der Abrüstungsgeschichte verletzt: Jenen zum Abbau aller nuklearen Mittelstreckenwaffen (INF-Vertrag), der 1987 in Washington von US-Präsident Ronald Reagan und Sowjet-Staatschef Michail Gorbatschow geschlossen worden war.

Gorbatschow und Reagan unterschreiben den INF-Vertrag, 8. Dezember 1987 in Washington
Gorbatschow und Reagan unterschreiben den INF-Vertrag, 8. Dezember 1987 in WashingtonWhite House Photographic Office


Infolge des INF wurden bis 1991 alle landgestützten Raketen und Marschflugkörper der UdSSR und USA mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometer zerstört; das betraf Systeme wie die „Pershing II" der USA/Nato sowie SS-12 „Scaleboard" und SS-20 „Saber" der UdSSR. Das Ziel war, deren absehbares Haupteinsatzgebiet Mitteleuropa zu denuklearisieren; fast 2700 Stück (rund 1850 davon im Ostblock) wurden beseitigt. Erstmals hatten Staaten damit vertraglich eine ganze Waffenkategorie zerstört. Doch nun soll Russland erneut Waffen jener verbotenen Reichweitenkategorie testen - und Washington die Nato-Verbündeten informiert haben.

"Umgehung" mittels strategischer Waffen

Schon seit 2008 kursieren Berichte, dass Russland den INF verletze, seit 2011 mindestens sieben Mal, heißt es indes in militärischen Fachmedien. Dabei bestritt Moskau die meisten Tests gar nicht: Man habe nur legale Interkontinentalraketen bzw. Stufen davon für Tests spezieller Nutzlasten (etwa Gefechtsköpfe, Störkörper) auf kürzere Bahnen geschossen.

Im Oktober 2013 etwa wurde eine „Topol" (SS-25 „Sickle", Reichweite um die 11.000 km) auf weniger als 2000 Kilometer abgefeuert. Mit Russlands modernster in Bau befindlicher strategischer Rakete „Yars-M" (russischer Code RS-26, Nato-Code bisher nur SS-29) gab es mindestens drei Tests in der vom INF verbotenen Kategorie. Damit aber, so sagen auch Beobachter im Westen, werde der INF an sich nicht verletzt, weil diese Raketen nicht per se Mittelstreckenwaffen seien. Es sei eine „Umgehung", die allerdings Gerüchte nährt, wonach Moskau im Tarnmantel strategischer Waffen wieder an Mittelstreckenwaffen baut.

"Iskander-K", reichweitengesteigert?

Nachdenklich macht vor allem, dass die NYT von „Marschflugkörper" schreibt, also von einem Geschoss, das relativ langsam und sehr niedrig (durchaus in um die 100 Meter Höhe) fliegt. Details fehlen, gerade auch im NYT-Bericht - es könnte aber durchaus eine neue, illegal reichweitengesteigerte Abart der „Iskander-K" sein, das ist ein taktisches Kurzstreckensystem für Schussdistanzen unter 500 km. Russland hatte in den vergangenen Jahren gedroht, Iskanders (s. Bild) in seiner Ostsee-Exklave Kaliningrad aufzustellen, als Reaktion auf den in Bau befindlichen Nato-Raketenabwehrschirm, und angeblich im Vorjahr auch einige Werfer dorthin gebracht, was aber von Russlands Präsident Wladimir Putin dementiert wurde.

Iskander-Werfer
Iskander-Werferdefensetech.org

Moskau hat schon seit Anfang der 2000er-Jahre den INF in Frage gestellt - meist unter Hinweis darauf, dass ja asiatische Mächte wie China und Indien auch Mittelstreckenraketen bauen. Russland falle deren Verbot viel schwerer als den USA, die ja im Umkreis von 5500 Kilometer keine vergleichbaren Gegner hätten. 2007 sagte Putin, der INF sei nicht mehr in Russlands Interesse.

Die "faulen Tricks" der Russen

In den USA wurden die Raketentests bisher eher unter den Teppich gekehrt, um die heiklen Beziehungen nicht weiter zu stören. Als der jetzige Außenminister John Kerry Ende 2012, als Leiter des Komitees für Auswärtige Beziehungen des Senats, von Regierungsbeamten über die Tests informiert wurde, habe er wegen der „faulen Tricks" der Russen geschäumt; man solle die Sache aber nicht allzu bekannt machen, denn das würde die Anstrengungen der Obama-Regierung bezüglich neuer Abrüstungsabkommen mit Moskau gefährden.

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