Der Riss geht quer durch Thailand

Proteste in Bangkok
Proteste in Bangkok(c) APA/EPA/PONGMANAT TASIRI
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Am Sonntag sollen in Thailand vorgezogene Parlamentswahlen abgehalten werden. Sie werden die Spaltung vertiefen. Regierungsgegner haben angekündigt, die Stimmabgabe zu stören.

Bangkok. Thailand steht ein unruhiges Wochenende bevor. Mehrere zehntausend Soldaten und Polizisten werden am Wochenende landesweit ausrücken und versuchen zu verhindern, dass es bei den vorgezogenen Wahlen am Sonntag zu größeren Zwischenfällen kommt. Die Gegner von Regierungschefin Yingluck Shinawatra haben gedroht, die Wahlen zu sabotieren. Suthep Thaugsuban, der Hauptanführer der Proteste, hat seine Anhänger aufgerufen, die Stimmabgabe „mit allen Mitteln“ zu stören.

Wie das aussehen könnte, zeigte sich am vergangenen Wochenende, als die ersten Vorwahlen abgehalten wurden. In Bangkok und im Süden des Landes, der Hochburg der monarchistischen Democrat Party (DP), blockierten Regierungsgegner Wahllokale und hinderten Wähler bisweilen gewaltsam daran, ihre Stimme abzugeben. Die staatliche Wahlkommission schloss wegen der Rangeleien alle 50 Wahllokale in Bangkok vorzeitig. Ein Anführer der Proteste wurde erschossen.

Seit etwa drei Monaten unternehmen die Regierungsgegner alles, um die gewählte Regierung zu stürzen. Die Neuwahlen lehnen sie ab. Stattdessen soll ein ernannter Rat die Regierungsgeschäfte übernehmen. Die Regierungsgegner haben in den vergangenen Wochen vorübergehend mehrere Ministerien in Bangkok besetzt und sich bei dem Versuch, den Regierungssitz zu stürmen, schwere Straßenschlachten mit der Polizei geliefert. Auch bei der Registrierung der Parteien für die vorgezogenen Wahlen, die Regierungschefin Yingluck nach den ersten Protesten ausgerufen hat, kam es zu schweren Ausschreitungen. Immer wieder sind jedoch auch die Regierungsgegner selbst ins Visier von Angreifern geraten: Mehrfach haben Unbekannte auf Sicherheitsleute der Demonstranten geschossen. Seit Beginn der Proteste wurden zehn Menschen getötet.

Die verfeindeten Lager in Thailand streiten derzeit um nichts Geringeres als um die zukünftige Machtstruktur des Landes. Der Riss zieht sich dabei durch die gesamte Gesellschaft. Zwar gehören beiden Seiten Menschen aus allen Regionen und aus allen gesellschaftlichen Schichten an. Es gibt jedoch klare Tendenzen: Der Großteil der Unterstützer der Regierung stammt aus der vergleichsweise armen und bevölkerungsreichen Nordhälfte des Landes. Auch viele Mitglieder der niedrigeren Einkommensschichten in Bangkok unterstützen die Regierung. Die Regierungsgegner stammen hingegen überwiegend aus der Mittelschicht und Elite der Hauptstadt und aus dem Süden des Landes.

Viele ihrer Anführer sind Ex-Abgeordnete der Democrat Party, die ihre Parlamentsmandate niedergelegt haben, um die Proteste anzuführen. Die DP hat seit den frühen 1990er-Jahren keine landesweiten Wahlen gewonnen. Die Parteien von Ex-Premier Thaksin Shinawatra, den das Militär 2006 aus dem Amt geputscht hat, konnten dagegen seit 2001 sämtliche Wahlen für sich entscheiden, zuletzt 2011 mit einer absoluten Mehrheit. Regierungschefin Yingluck ist Thaksins Schwester.

„Zu ungebildet“ zum Wählen

Die Demonstranten werfen der Regierung vor, sie habe ärmere Thais durch Stimmenkauf und durch Wahlgeschenke auf ihre Seite gezogen. Demokratie, so heißt es von dieser Seite immer wieder, funktioniere in Thailand nicht, da der Großteil der Bevölkerung zu „ungebildet“ sei, um vernünftige Entscheidungen zu treffen.

Pasuk Phongpaichit und Chris Baker, zwei führende Akademiker, die sich schon lange mit dem sozioökonomischen Wandel in Thailand befassen, bezeichnen diese refrainartig geäußerten Vorwürfe als „gefährlichen Unsinn.“ Sie seien „der Versuch, die Wahldemokratie zu untergraben.“

Der Hass auf Ex-Premier Thaksin, der seit 2008 im Exil lebt, kennt unter den Regierungsgegnern keine Grenzen. Viele Protestführer bezeichnen ihn in ihren Reden als „den Teufel“. Der Telekommunikations-Milliardär aus dem Norden des Landes ist 2001 zum ersten Mal ins Amt gewählt worden. Er erkannte, wie sehr der wirtschaftliche Aufschwung seit den 1980er-Jahren das Land verändert hat, und passte seine Politik entsprechend an. Der aufstrebenden Mittelschicht auf dem Land kam er mit Mikrokrediten und Wirtschaftsförderungsinitiativen entgegen. Die bis heute ungebrochene Unterstützung der Armen sicherte er sich mit Armutsbekämpfungsprogrammen, die außerordentlich erfolgreich waren. Aus seiner Amtszeit stammt auch die erste allgemeine Krankenversicherung des Landes.

Zugleich hat sich Thaksin schon früh viele Feinde gemacht. Sein Regierungsstil wurde immer autoritärer. Ihm werden schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt, die Sicherheitskräfte begangen haben, als er Premierminister war. Bangkoks traditionelle Elite störte sich jedoch vor allem an der großen Popularität des Politikers. Sie sah darin einen Angriff auf ihre privilegierte Stellung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2014)

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