Aufstand im Irak: „Wir gehören nicht zur al-Qaida“

Iraqi soldiers take positions during an intensive security deployment on the outskirts of Anbar province
Iraqi soldiers take positions during an intensive security deployment on the outskirts of Anbar province(c) REUTERS (STRINGER/IRAQ)
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Die Gefechte im Gebiet westlich von Bagdad werden heftiger. Sunnitische Milizen revoltieren gegen die Zentralregierung von Premier Nouri al-Maliki.

Einst hatte er Iraks Diktator Saddam Hussein als hoher Offizier gedient. Heute trägt er den Kriegsnamen Abu Aiman und befehligt – wie er sagt – zahlreiche Aufständische in der irakischen Stadt Ramadi. Wie viele Männer genau unter seinem Kommando stehen, will Abu Aiman nicht preisgeben – auch nicht, welche Waffen seine Kämpfer außer ihren Kalaschnikow-Sturmgewehren in ihrem Arsenal haben.

Abu Aiman wirkt angespannt. Denn die irakischen Regierungstruppen rund um Ramadi haben auch ihn im Visier. „Sie belagern die Stadt und beschießen uns mit Granaten“, berichtet er im Telefongespräch mit der „Presse“. „Den Leuten gehen hier langsam die Medikamente aus.“

Die Einheiten des irakischen Regierungschefs, Nouri al-Maliki, haben ihre Offensive rund um die Städte Ramadi und Falluja verstärkt. Dabei kamen in den vergangenen Tagen Dutzende Menschen ums Leben. In dem Gebiet westlich der Hauptstadt Bagdad toben Gefechte mit sunnitischen Untergrundkämpfern, die schon in der Vergangenheit Aufstände gegen die schiitisch dominierte Regierung in Bagdad angezettelt haben. Schiiten und Sunniten sind die beiden großen Glaubensrichtungen im Islam. Und im Irak ist die Zugehörigkeit zu diesen beiden Gruppen längst nicht mehr nur eine Frage von Religion. Es ist eine Frage beinharter politischer Machtverteilung.

Revolte in Ramadi

Iraks schiitischer Premier Maliki hat seine Soldaten nach Ramadi und Falluja geschickt, um – so die Regierung – gegen das Terrornetzwerk al-Qaida vorzugehen. Konkret geht es um die Gruppe „Islamischer Staat im Irak und der Levante“, die vor allem in Syrien aktiv ist und bis vor Kurzem als einer der Zweige al-Qaidas galt. Teil der al-Qaida-Ideologie ist eine pervertierte Form des sunnitischen Islam, in der die schiitischen Muslime als „Ungläubige“ bekämpft werden – und damit auch Iraks schiitisch dominierte Regierung. Bewaffnete des „Islamischer Staats im Irak und der Levante“ sollen Teile von Ramadi und Falluja kontrollieren. Und Iraks Armee versucht nach eigenen Angaben, die Extremisten wieder zu vertreiben.

Abu Aiman weist das zurück: „In Ramadi gibt es keine al-Qaida. Hier kämpfen lokale Stämme gegen Maliki. Wir gehören nicht zur al-Qaida. Wir sind stolze Araber, die so wie 2003 das Land befreien wollen.“ Abu Aiman griff schon damals zur Waffe, als sunnitische Stämme einen Aufstand gegen die US-Truppen gestartet hatten.

Mit dem Einmarsch der Amerikaner 2003 und dem Sturz des Saddam-Regimes hatten sich die Machtverhältnisse im Irak verändert. Nun gewannen schiitische Parteien, die zum Teil vom schiitischen Iran unterstützt werden, an Einfluss. Das Ringen um die Macht führte zu einem jahrelangen Bürgerkrieg zwischen schiitischen und sunnitischen Gruppen, der mit Sprengstoffattentaten, Entführungen und Vertreibungen von Zivilisten ausgetragen wurde. Dabei gerieten zahlreiche schiitische und sunnitische Familien, die in Frieden mit der jeweils anderen Bevölkerungsgruppe leben wollten, ins Fadenkreuz der Extremisten.

Nun ist der Konflikt wieder hochgekocht. Seit einem Jahr kommt es in den Sunniten-Hochburgen westlich von Bagdad zu Protesten. Demonstranten werfen Premier Maliki vor, Sunniten bei der Postenvergabe zu benachteiligen und die Anti-Terror-Gesetze zur Unterdrückung sunnitischer Zivilisten zu missbrauchen. Sie fordern die Freilassung von Gefangenen. Die Menschenrechtsorganisation Human Right Watch veröffentlichte am Donnerstag einen neuen Bericht, wonach vor allem sunnitische Frauen in irakischen Gefängnissen misshandelt würden.

„Wir kämpfen weiter“

Nachdem am 30.Dezember Regierungstruppen mit Gewalt ein Protestcamp in Ramadi räumten, brachen erneut Kämpfe aus. Und trotz der Beteuerungen von Abu Aiman versuchen Gruppen wie „Islamischer Staat im Irak und der Levante“ dabei eine Rolle zu spielen. Doch der Kampf wird auch von lokalen Stammesmilizen wie den Kämpfern von Abu Aiman geführt. „Wir verteidigen unsere Stadt“, sagt er. „Wir kämpfen weiter.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2014)

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