Renzis "Putsch" gegen den Premier

(c) REUTERS (REMO CASILLI)
  • Drucken

Führungsstreit bei Sozialdemokraten: Der neue Parteichef, Matteo Renzi, versuchte, seinen Rivalen Enrico Letta aus dem Premieramt zu vertreiben. Letta blieb der Kampfabstimmung fern.

Rom. „Wer meinen Platz übernehmen will, muss auch sagen, was er vorhat.“ Am Vorabend des Showdown bei Italiens Sozialdemokraten gab sich Ministerpräsident Enrico Letta noch kämpferisch. Hatte er selbst bei Amtsantritt vor nicht einmal zehn Monaten sein Regierungsprojekt auf 18 Monate befristet – damit waren Neuwahlen für das Frühjahr 2015 de facto in Aussicht gestellt –, so strich er am Mittwochabend jedes Verfalldatum. Die Regierung werde so lange bleiben, bis sie ihre geplanten Reformen „zum Besten Italiens“ umgesetzt habe, sagte Letta – und legte einen neuen Katalog von Programmpunkten vor. In den vergangenen Wochen hatte allein Lettas parteiinterner Rivale Matteo Renzi eine Serie konkreter Reformen angekündigt, zum Teil sogar eingeleitet.

Der Kabalen müde

Außerhalb der Regierung jedoch wettete vor der entscheidenden Sitzung des Parteivorstandes am Donnerstagnachmittag kaum einer mehr auf den Fortbestand von Lettas Koalition. Immer mehr Sozialdemokraten drängen Parteichef Matteo Renzi, Letta abzulösen – nicht alle, weil sie ihn für den besseren Mann halten, sondern weil sie des Führungsstreits müde sind, der die Partei seit Dezember lähmt.

Vor allem der von Renzi ausmanövrierte linke Flügel drängt den Herausforderer, nun endlich „Farbe zu bekennen“ und damit sein zweideutiges Agieren zu beenden. In letzter Minute kündigte Letta an, der Krisensitzung des Parteivorstands fernzubleiben. Was – laut Letta – eine „durchsichtige Entscheidungsfindung in aller Ruhe“ erleichtern sollte, wurde als Kapitulation vor Renzi gewertet.

Renzi, im Dezember per Basiswahl zum Parteichef der Sozialdemokraten (PD) gewählt, hatte in den vergangenen Wochen immer wieder dementiert, seinen Parteifreund Letta aus dem Amt des Ministerpräsidenten drängen zu wollen. Letta solle sich nicht beunruhigen lassen und „gelassen weitermachen“, twitterte Renzi. Wenn, dann wolle er selbst nicht auf kaltem Wege zum Regierungschef ernannt, sondern vom Volk gewählt werden: „Mir wären Wahlen sehr recht“, sagte der 39-Jährige: „Nur dem Land tut ein Wahlkampf aktuell nicht gut.“

„Leere Batterie“

Andererseits hatte Renzi die Regierung Letta täglich und auf allen Kanälen der Schwäche, ja sogar der Handlungsunfähigkeit geziehen und ihr vor einer Woche ein Ultimatum von 14 Tagen gesetzt: „Entweder sie startet mit Reformen durch oder die Partei wird dem Verfall der Regierung nicht mehr länger zuschauen.“

Dann aber überrollte die „unerbittliche Dynamik”, die Renzis Freunde ihrem Idol zuschreiben, alle Terminpläne: Renzi zog als Parteichef – teils gedrängt, teils voll eigener Ungeduld – die Dringlichkeitssitzung zum Fortbestand der Regierung um eine Woche vor. Zur Begründung sagte Renzi: „Die Batterie der Regierung ist leer. Wir müssen diskutierten, ob wir sie aufladen oder austauschen.“

Zur Beschleunigung haben im Hintergrund offenbar auch Industrie und Gewerkschaften beigetragen, die im Interesse der Wirtschaft klare Verhältnisse und schnelle Reformen verlangten. Innerhalb der Partei hatte Renzi die Bastionen Lettas sturmreif geschossen. Auch die Koalitionspartner – die von Berlusconi abgespaltene Neue Rechte Mitte unter Vizepremier Angelino Alfano und die kleine Zentrumspartei – hatten sich Renzis Ansicht von der „allzu schwachen Regierung“ zu eigen gemacht und einen „rapiden Neuaufbruch” verlangt.

Keine Koalition mit Berlusconi

Ungeklärt ließ Renzi aber, woher eine von ihm geführte Regierung die für Reformen nötige Stärkung im Parlament beziehen sollte. Ohne Neuwahlen bleiben die Mehrheitsverhältnisse so fragil, wie sie es bisher auch für Letta waren. Sollte Renzi mit der Akzentuierung sozialdemokratischer Positionen die Koalitionspartner vergraulen, geht ihm die Mehrheit ganz verloren. Nur eines hat Renzi ausgeschlossen: eine große Koalition mit Berlusconis Forza Italia. Auch das war im Gespräch, nachdem sich Renzi unter Umgehung aller Partei-, Parlaments- und Regierungsgremien mit Berlusconi auf ein neues Wahlgesetz geeinigt hatte.

ZUR PERSON

Matteo Renzi. Der 39-jährige Bürgermeister von Florenz, seit Dezember Chef der Mitte-links-Partei Partito Democratico (PD), gilt als Shootingstar der italienischen Politik. Er drängt an die Macht in Rom, wo er Parteifreund Enrico Letta an der Regierungsspitze beerben will. In Rom kursiert bereits eine Kabinettsliste Renzis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.