Italiens Premier Letta tritt zurück

Enrico Letta tritt zurück.
Enrico Letta tritt zurück.(c) APA/EPA/ANGELO CARCONI
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Enrico Letta verliert den internen Partei-Machtkampf gegen Matteo Renzi. Der Bürgermeister von Florenz will Premier werden.

Der italienische Regierungschef Enrico Letta wird zurücktreten. Das kündigte er am Donnerstag in Rom an. Er werde sein Rücktrittsschreiben am Freitag Präsident Giorgio Napolitano überreichen. Letta zog damit die Konsequenzen aus einer Abstimmung seiner Demokratischen Partei. Er wird am Freitag seine letzte Ministerratsitzung leiten und anschließend sein Rücktrittsgesuch übergeben.

Seine Partei, die stärkste Fraktion im italienischen Parlament, hat sich für einen Regierungswechsel in Rom ausgesprochen. Die Mitglieder des Parteigremiums stimmten am Donnerstag mehrheitlich für einen Antrag von PD-Chef Matteo Renzi, in dem die Absetzung des seit zehn Monaten amtierenden Premiers Enrico Letta gefordert wird. Letta gehört der PD an.

Für das Dokument stimmten 136 Mitglieder des PD-Gremiums, 16 votierten dagegen und zwei enthielten sich der Stimme. Anhänger Lettas verließen vor Beginn des Votums den Saal, um nicht für das Dokument zu stimmen, mit dem de facto eine Regierungskrise in Italien losgetreten wird. Italien brauche eine neue Regierung, die aber "von den gleichen Koalitionskräften" getragen werden solle, sagte Renzi in seiner Rede vor der Parteispitze. Neuwahlen seien derzeit nicht im Sinne des Landes. Renzi dankte Letta für dessen Dienste, die er für Italien geleistet habe. Letta selbst blieb der Sitzung fern.

Renzi setzt sich durch

„Enrico, bleib gelassen. Dir will niemand den Job wegnehmen“, hatte der ehrgeizige Linksdemokraten-Chef Renzi noch Anfang Jänner versichert, keine Ambitionen auf den Posten von Premier Enrico Letta zu haben. Das Versprechen #enricostaisereno („Enrico, bleib gelassen“) verwandelte der umtriebige Florentiner Bürgermeister umgehend in einen Twitter-Hit. Gestern boomte das Hashtag wieder unter dem italienischen Twitter-Volk – und „packe deine Koffer“, hieß es da etwa höhnisch.

Nach wochenlanger Kritik an der Reformunfähigkeit der Regierung, wollte Renzi Parteifreund Letta aus dem Amt verdrängen und selbst Premier werden. Nachdem der 39-Jährige sich Dienstagabend offenbar von Staatspräsident Giorgio Napolitano den Segen dazu geholt hat – der will Neuwahlen auf jeden Fall vermeiden – kam es Mittwochvormittag zum Showdown zwischen den beiden. Eine Stunde lang soll Renzi auf Letta eingeredet haben, seinen Posten zu räumen - mit Erfolg.

Mehrheit gegen den Premier

Renzi hat es in seinen zwei Monaten als Linksdemokratenchef geschafft, die Mehrheit gegen den Premier aufzubringen. Auch den rechten Koalitionspartner Lettas hat Renzi auf seiner Seite: Vizepremier Angelino Alfano, Chef der „Neuen Rechten“, sprach sich gestern offen für den Florentiner Bürgermeister aus. Alfanos „Mentor“, den verurteilten Ex-Premier Silvio Berlusconi, hat Renzi wohl auch hinter sich. Gemeinsam mit dem Cavaliere hat er einen Vorschlag für eine Wahlrechtsreform ausgearbeitet.

Renzi jedenfalls schien sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein. Laut italienischen Zeitungsberichten hat er bereits seine gesamte Ministerliste in der Tasche, und darunter befinden sich schillernde Namen: etwa der populäre Wirtschaftswissenschaftler Tito Boeri, der Arbeitsminister werden soll, oder Star-Schriftsteller Alessandro Baricco, den Renzi für das Kulturressort vorgesehen hat. Um sein Image als radikaler Erneuerer zu unterstreichen, erschien der Bürgermeister zum Treffen mit Letta am Steuer eines blauen Smarts (normalerweise lässt er sich auf einer Vespa fotografieren).

Wirtschaftliche Dauerkrise

Der Bürgermeister wirft der Regierung Letta vor, wirtschaftliche Reformen zu langsam voranzutreiben. Das tief verschuldete Eurokrisenland befindet sich zwar nicht mehr in einer Rezession, doch von einer tatsächlichen Erholung kann nicht die Rede sein. Seit 2007 ist die Wirtschaft um mehr als neun Prozent geschrumpft. Die Arbeitslosigkeit hat Rekordwerte erreicht, wobei mit 41,6 Prozent vor allem die Jungen betroffen sind. Jeder sechste Italiener muss mit weniger als 640 Euro im Monat auskommen. Auch aufgrund des hohen Steuerdrucks (Italien hat die höchsten Steuersätze innerhalb der EU) verlassen immer mehr Unternehmen das Land oder müssen schließen.

Renzi hat in den vergangenen Wochen Letta Reformvorschläge zu sämtliche Themen – Wirtschaft, Arbeit, Soziales bis hin zum Wahlrecht – auf den Tisch gehauen. „Entweder die werden schnell verabschiedet oder die Regierung fällt“, drohte er. Nun scheint es so weit zu sein. Doch glaubt man einer Blitzumfrage der Zeitung „La Stampa“, sind die Italiener nicht begeistert vom „Putsch“ des Bürgermeisters. Die Mehrheit würde sich Neuwahlen wünschen.

(basta/APA)

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