Hans-Peter Friedrich informierte die SPD vorzeitig über den Kinderporno-Verdacht gegen Ex-Abgeordneten Edathy. Nun verkündete er seinen Rücktritt.
Der wegen möglichen Geheimnisverrats im Fall um den Innenpolitiker Sebastian Edathy unter Druck geratene deutsche Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) tritt zurück. Das hat er am Freitagnachmittag in einer überraschend einberufenen Pressekonferenz bekannt gegeben.
Er habe Kanzlerin Angela Merkel seinen Rücktritt angeboten, sagte Friedrich. Der Druck sei zu groß geworden. Ein Schuldeingeständnis sei das aber nicht: ch bin nach wie vor der Überzeugung, dass ich politisch und rechtlich richtig gehandelt habe, als ich im Oktober den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel informiert habe."
Als damaliger deutscher Innenminister hatte Friedrich den Chef der Sozialdemokraten im Oktober 2013 darüber informiert, dass der Name des SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy bei internationalen Ermittlungen aufgetaucht sei. Die Opposition hielt Friedrich vor, damit Dienstgeheimnisse gebrochen zu haben.
Die Staatsanwaltschaft gab sich angesichts des Informationslecks ebenfalls "fassungslos". Sie bestätigte bei der Gelegenheit erstmals, dass es tatsächlich um den Verdacht des Besitzes kinderpornografischen Materials gehe: Jörg Fröhlich, der Leiter der Behörde, sagte am Freitag, nach den Erkenntnissen der Ermittler hätte Edathy zwischen Oktober 2005 und Juni 2010 neun Mal im Onlineshop eines kanadischen Unternehmens in Summe 31 Filme und Fotosets von unbekleideten Knaben zwischen neun und 14 Jahren bestellt. Dabei habe es sich um Material an der Grenze zur Strafbarkeit gehandelt.
Bestellt über Server des Bundestags
Die ersten sieben Bestellungen seien Edathy per Post geschickt worden, die beiden letzten als Dowloads - besonders pikant - über die Server des Bundestages. Die Zahlungen ließen sich Kreditkartenbuchungen Edathys zuordnen. Nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes handle es sich eindeutig um kinderpornografisches Material der Kategorie zwei.
Die Berliner Staatsanwaltschaft leitete indes Vorermittlungen wegen Geheimnisverrats ein. Ein Sprecher bestätigte Medienberichte, dass die Justiz einen "Anfangsverdacht auf den Verrat von Dienstgeheimnissen" prüfe. Die Grünen im Bundestag verlangten lückenlose Aufklärung. Ein Vertreter der niedersächsischen Ermittlungsbehörden sagte, die Sache "grenzt an Strafvereitelung".
Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen?
Edathy hatte am vergangenen Freitag nach über 15 Jahren im Bundestag sein Mandat niedergelegt und dafür gesundheitliche Gründe genannt. In einer Erklärung betonte der 44-Jährige: "Die öffentliche Behauptung, ich befände mich im Besitz kinderpornografischer Schriften bzw. hätte mir diese verschafft, ist unwahr." Ein strafbares Verhalten liege nicht vor, erklärte Edathy. Er warf der Staatsanwaltschaft Hannover vor, die Razzien seien unverhältnismäßig gewesen.
Edathy hatte sich als Vorsitzender des Bundestags-Ausschusses zu den Morden des rechtsextremen NSU einen Namen gemacht. Unbestätigten Informationen zufolge hält er sich derzeit in Dänemark auf. Laut dem früheren niedersächsischen Innenminister Heiner Bartling (SPD), der Kontakt mit Edathy hatte, schrieb dieser zuletzt in einer SMS: "Man hat eine Existenz vernichtet."
PC manipuliert: "Das stinkt zum Himmel"
Bei der Durchsuchung von Wohnungen und Büros von Edathy stellten Ermittler laut übereinstimmenden Medienberichten und DPA-Informationen fest, dass bei Computern Festplatten manipuliert oder gelöscht wurden. Ein Ermittler sagte der "Bild": "Das stinkt zum Himmel, er hat sich generalstabsmäßig auf die Durchsuchungen vorbereitet." Nach Angaben von NDR und "Süddeutscher Zeitung" waren bis auf einen intakten Computer alle anderen Rechner entfernt worden. Auch seien Reste zerstörter Festplatten gefunden worden.
Unterdessen widersprach der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, in Teilen einer Darstellung von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Dieser hatte zuvor öffentlich gemacht, wer bei den Sozialdemokraten wann vertraulich über den Verdacht gegen Edathy im Bilde gewesen sein soll. Dazu zählten in der SPD neben Oppermann der Vorsitzende Gabriel, der damalige Fraktionschef und heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie später auch die aktuelle Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht.
Oppermann hatte dabei mit Blick auf das Auftauchen des Namens Edathy bei Ermittlungen im Ausland erklärt: "Ich habe mir diese Informationen im Oktober 2013 in einem Telefonat von BKA-Präsident Jörg Ziercke bestätigen lassen." Ziercke bestritt, das getan zu haben. "Diese Darstellung habe ich mir angehört, aber Herrn Oppermann diese weder bestätigt noch Informationen zum Sachverhalt mitgeteilt", teilte Ziercke mit. Oppermann bekräftigte jedoch seine Darstellung.
Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels war von "kinderpornografischem Material der Kategorie eins" die Rede. Die Nachrichtenagentur Reuters hat ihre Angaben mittlerweile auf "Kategorie zwei" korrigiert.
(APA/DPA/Reuters)