Iran: Im Palais Coburg geht's ums Ganze

Kurz, Javad Zarif
Kurz, Javad Zarif(c) APA/EPA/DRAGAN TATIC (DRAGAN TATIC)
  • Drucken

Teheran hat im November Zugeständnisse im Atomstreit gemacht, der Westen Sanktionen gelockert. Nach diesem Vertrauensaufbau müssen aber nun die heißen Eisen angepackt werden.

Wien. Außenminister Sebastian Kurz ist noch nicht lange im Amt, aber als er am Montag seinen iranischen Kollegen Mohammed Javad Zarif vom Flughafen abholte, begrüßten sie sich fast wie alte Bekannte. Tatsächlich haben die Minister bereits Anfang Februar ausführlich bei der Münchner Sicherheitskonferenz über die Atomverhandlungen gesprochen, die heute, Dienstag, in Wien beginnen. Kurz gibt zu, er sei „stolz“, dass die EU-Außenpolitik-Beauftragte Catherine Ashton Österreichs Angebot angenommen hat (auch wenn er das gerne selbst verkündet hätte, Ashton aber vorpreschte).

Auch die britische Baronesse wurde von Kurz in Schwechat in Empfang genommen. Ashton war schon bei den Genfer Verhandlungen im November eine Art Sprecherin der um Deutschland erweiterten Gruppe der fünf UN-Vetomächte, die dem Iran einen Kompromiss im Streit um dessen Atomprogramm abringen wollen. Der Westen vermutet ja, dass dieses auch eine militärische Dimension hat, was der Iran abstreitet.

Abkommen mit Ablaufdatum

In Genf wurde ein Zwischenabkommen ausgehandelt, das bisher umgesetzt wurde. Jetzt, im Wiener Palais Coburg (dort finden die eigentlichen Gespräche statt, in der UNO-City trifft man sich nur für die Kameras), geht es ums Ganze. Also darum, die Dynamik zu nutzen und ein endgültiges Abkommen zumindest auf Schiene zu bringen. Die Uhr tickt, das Zwischenabkommen läuft nach sechs Monaten aus. Nimmt man als Startpunkt das Aussetzen der iranischen Urananreicherung auf 20 Prozent am 20. Jänner, so haben die Verhandler nur bis Mitte Juli Zeit, sich auf „Konturen“ einer Lösung zu einigen. Diese Formulierung ermöglicht laut dem österreichischen Iran-Experten Walter Posch eine zeitliche Flexibilität.

Zarif ist vorerst der einzige beteiligte Minister, die anderen Länder sind durch die politischen Direktoren ihrer Außenministerien vertreten. Sollte es aber – womit bei dieser Runde nicht gerechnet wird – zum Durchbruch kommen, könnten John Kerry (USA) und seine Kollegen aus China, Russland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland rasch einfliegen.

Das war auch in Genf der Fall. Beim ersten Mal war es allerdings falscher Alarm, die Minister mussten unverrichteter Dinge wieder abreisen. Wie aus diplomatischen Kreisen bekannt wurde, war eine Einigung vor allem an den Bedingungen Frankreichs gescheitert. Doch zwölf Tage später, am 20. November, konnte Ashton verkünden, dass einige Sanktionen gegen den Iran gelockert werden könnten (so wurden etwa Guthaben von rund 550 Mio. Euro „aufgetaut“).

Zwei Wege zur Atombombe

Im Gegenzug verlangt das Zwischenabkommen dem Iran nicht nur ab, die Anreicherung auf 20 Prozent zu stoppen. Sämtliche Bestände von Uran, die in dieser Form vorliegen, müssen auch wieder auf unter fünf Prozent „verdünnt“ werden. Hintergrund: Der Sprung von 20 auf die waffenfähigen 90 Prozent ist technisch einfacher als der von 3,5 Prozent (für die zivile Nutzung ausreichend) auf fünf. In den Anlagen Fordo und Natanz soll ein großer Teil der Zentrifugen stillgelegt werden, der Iran darf keine neuen Anreicherungsanlagen bauen. Hinsichtlich des Schwerwasser-Reaktors in Arak wurde ein Kompromiss erreicht: Der Bau wird unterbrochen, die Anlage wird aber nicht stillgelegt. Plutonium aus dem Schwerwasser-Reaktor wäre der zweite mögliche Weg zur Atombombe.

Eine definitive Lösung für Arak ist einer der Punkte, um die es in Wien geht. Ein weiterer ist die militärische Dimension des Atomprogramms, die drei Komponenten hat: neben dem nuklearen Material die Entwicklung eines Sprengkopfes und von Trägersystemen. In den beiden letzten Bereichen ließ sich der Iran bisher nicht in die Karten schauen. Besonders interessiert man sich im Westen für die Militäranlage Parchin, wo bereits Tests mit Sprengköpfen durchgeführt worden sein könnten. Die drei Tage, die für die Wiener Beratungen anberaumt wurden, reichen mit Sicherheit nicht aus, um diese Probleme zu lösen.

AUF EINEN BLICK

Im Wiener Palais Coburg finden ab heute, Dienstag, Verhandlungen der UN-Vetomächte (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich) und Deutschlands mit dem Iran über dessen Atomprogramm statt. Die Gespräche sind vorerst auf drei Tage anberaumt. Der Westen wirft dem Iran vor, unter dem Deckmantel eines zivilen Nuklearprogramms Atomwaffen zu entwickeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Nobler Verhandlungsort: Das Wiener Palais Coburg
Außenpolitik

Wiener Iran-Gespräche auf der Zielgeraden

Die iranische Delegation gibt sich zuversichtlich, dass man bald den Fahrplan für die weiteren Verhandlungen über das Atomprogramm verkünden kann.
Atomverhandlungen, Iran
Außenpolitik

Iran: "Guter Start" der Wiener Atomverhandlungen

Nach dem Genfer Zwischenabkommen machten sich die UN-Vetomächte, Deutschland und der Iran daran, das Thema endlich vom Tisch zu bekommen. Sie wollen in Wien einen Fahrplan für eine umfassende Einigung erarbeiten.
Iran, Wirtschaft
Außenpolitik

Wirtschaft: "Iran ist der dickste Braten"

. Im Iran winken nach einer Aufhebung der Sanktionen viele Aufträge. Doch manche haben auch von den Strafmaßnahmen profitiert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.