Ukraine: Parlament wählt neuen Ministerpräsidenten

EU-Chefdipolmatin Catherine Ashton im Gespräch mit Interimspräsidenten Oleksandr Turchynov
EU-Chefdipolmatin Catherine Ashton im Gespräch mit Interimspräsidenten Oleksandr Turchynov(c) APA/EPA/ANASTASIA SIROTKINA / PO (ANASTASIA SIROTKINA / POOL)
  • Drucken

Offizielle Kandidaten gibt es nicht, infrage kommen der der frühere Parlamentspräsident Arseni Jazenjuk oder auch der frühere Außen-und Wirtschaftsminister Pjotr Poroschenko.

Das ukrainische Parlament will nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch und der Absetzung seiner Regierung am Dienstag einen neuen Ministerpräsidenten wählen. Die geplante Wahl gilt als weiterer wichtiger Schritt aus der Krise. Da das Land vor dem Staatsbankrott steht, reißt sich niemand um den Posten des Regierungschefs. Russland bezweifelt die Rechtmäßigkeit der aktuellen Führung.

Die bisherige Opposition hatte am Wochenende nach monatelangen Protesten die Macht in Kiew übernommen und rasch alle wichtigen Posten besetzt. Als neuer Regierungschef infrage kommt der frühere Parlamentspräsident Arseni Jazenjuk, der die Fraktion der Vaterlandspartei von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko führt. Als möglicher Kandidat wird zudem der Unternehmer und frühere Außen-und Wirtschaftsminister Pjotr Poroschenko gehandelt.

Russland bezweifelt Rechtmäßigkeit der neuen Führung

Russland bestritt am Montag die Legitimität der neuen Regierung und warnte vor "diktatorischen" und "terroristischen" Methoden. "Falls sich Leute, die in schwarzen Masken und mit Kalaschnikow-Sturmgewehren durch Kiew schlendern, als Regierung bezeichnen, so wird die Arbeit mit einem solchen Kabinett sehr schwierig sein", sagte der russische Regierungschef Dmitri Medwedew. Das russische Außenministerium warf dem Westen vor, sich in Wahrheit nicht um das Schicksal des Landes zu sorgen, sondern lediglich geostrategische Interessen zu verfolgen.

Probleme durch Gewalt auf beiden Seiten

Bundespräsident Heinz Fischer bezeichnete die derzeitige Situation als "unübersichtlich". "Ich fürchte, dass die Ukraine eine schwierige Phase vor sich hat", so Fischer in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti am Montag. Die Ukraine solle zudem keine Spannungszone zwischen Europa und Russland sein, so Fischer weiter.

Fischer erklärte sich als Gegner der "Anwendung von Gewalt bei innenpolitischen Konflikten". Dies gelte für alle Seiten: "Ich bin dagegen, dass die Staatsmacht unangemessene Gewalt anwendet, Schusswaffen gegen die eigene Bevölkerung einsetzt etc. Ich bin aber auch dagegen, dass friedliche Demonstrationen in Gewalt ausarten, staatliche Gebäude besetzt werden, Autos angezündet werden etc. In der Ukraine ist beides passiert und entsprechend groß sind die Probleme, die daraus entstanden sind", konstatierte der Bundespräsident.

Finanzhilfe an Bedingungen knüpfen

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die Ukraine auf, für neuen Zusammenhalt im Land zu sorgen. Das Auswärtige Amt in Berlin plädiert nach dem Machtwechsel in Kiew dafür, mögliche Finanzhilfen für die Ukraine an strikte Bedingungen zu knüpfen.

Janukowitsch als Massenmörder gefahndet

Die neue Führung lässt nach Janukowitsch wegen "Massenmordes" fahnden. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn sowie andere ranghohe Amtsträger sei eingeleitet worden, teilte der kommissarische Innenminister Arsen Awakow auf Facebook mit. Bei Protesten gegen Janukowitsch waren allein seit Dienstag mindestens 82 Menschen getötet worden.

Dabei schossen Scharfschützen gezielt auf Demonstranten. Viele Ukrainer machen dafür unter anderem den geflohenen Innenminister Vitali Sachartschenko und den abgetauchten Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka verantwortlich. Das Parlament ernannte die Getöteten posthum zu "Helden der Ukraine".

Awakow zufolge hielt sich Janukowitsch zuletzt auf der prorussisch geprägten Halbinsel Krim auf. Er war zuletzt in der ostukrainischen Stadt Donezk gesehen worden, von wo aus er am Samstagabend in Begleitung bewaffneter Leibwächter in einem Flugzeug das Land verlassen wollte. Grenzschützer verhinderten nach eigenen Angaben die Flucht.

35 Milliarden US-Dollar Finanzhilfe

Die wirtschaftlich schwer angeschlagene Ukraine benötigt nach eigenen Angaben 35 Milliarden US-Dollar (25,5 Milliarden Euro) Finanzhilfen. Die frühere Sowjetrepublik habe eine internationale Geberkonferenz unter Beteiligung der EU, der USA und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgeschlagen, sagte der kommissarische Finanzminister Juri Kolobow. "Wir haben unseren internationalen Partnern vorgeschlagen, uns innerhalb der nächsten ein bis zwei Wochen Kredite zu gewähren", sagte Kolobow.

IWF-Chefin Christine Lagarde hatte angekündigt, ihre Organisation stehe für Unterstützung bereit - im Gegenzug für Wirtschaftsreformen. Russland hingegen hat angekündigte Milliardenkredite angesichts der revolutionären Umbrüche im Nachbarland zunächst auf Eis gelegt.

(APA/dpa/FP)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.