Österreich prescht mit schwarzer Liste vor

BELGIUM EU UKRAINE FOREIGN AFFAIRS COUNCIL
BELGIUM EU UKRAINE FOREIGN AFFAIRS COUNCIL (c) APA/EPA/JULIEN WARNAND
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Außenminister Kurz wartet nicht auf EU-Konsens und sperrt allfällige Konten von Janukowitsch & Co. Die Namensliste liest sich wie ein Who's who des ukrainischen Ancien Régime.

Wien. Bis jetzt war es nur eine leere Drohung gewesen: Die EU hatte zwar vor einer Woche Sanktionen gegen das Janukowitsch-Regime verhängt, aber noch ohne Namensliste. Dem Wiener Außenamt war die Geschwindigkeit der Brüsseler Mühlen zu langsam. Berichte über Wien als sicheren Hafen für ukrainisches Oligarchengeld nahmen überhand, am Donnerstag langte am Minoritenplatz dann auch noch ein dringendes Ersuchen der neuen ukrainischen Führung ein. Und so preschte Außenminister Sebastian Kurz am Freitag vor und verhängte Kontosperren gegen Janukowitsch, seinen Sohn Oleksander und 16 Personen aus dem Dunstkreis des gestürzten Regimes.

Die Aktion war offenkundig mit der Schweiz koordiniert, denn nur Stunden später wurde bekannt, dass auch Bern gegen 20 Ukrainer Sanktionen verhängt hatte, und nicht nur das: Gegen Janukowitsch und seinen Sohn nahm die Schweizer Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Geldwäsche auf, in einem Firmenbüro in Genf wurde eine Razzia durchgeführt.

Klujew-Brüder auf Schweizer Liste

Die Wiener Liste, die der „Presse“ vorliegt, liest sich wie ein Who's who des Ancien Régime von Kiew: Neben Janukowitsch senior und junior wird sie angeführt von Ex-Premier Mykola Asarow. Sein Sohn Oleksij ist nicht nur Abgeordneter von Janukowitschs Partei der Regionen, er hat auch einen Wohnsitz in Wien-Pötzleinsdorf und betreibt eine Handelsgesellschaft, die in der Wiener Singerstraße angemeldet ist. Ob sein Vater auch direkt Geld in Österreich veranlagt hat, ist unbekannt.

Der nächste Prominente mit Österreich-Tangente ist Andrej Klujew: Er hat gemeinsam mit seinem Bruder Sergej 1994 in Wien die Slav AG gegründet, um das Stahlgeschäft in ihrer ukrainischen Heimat zu finanzieren. Andrej war in der heißen Phase des ukrainischen Aufstandes Kabinettschef von Präsident Janukowitsch, für den er seit Jahren in diversen Positionen arbeitet, Sergej ist Abgeordneter. Im Interview mit der „Presse“ hat er erst vor zwei Tagen beteuert, dass er nichts zu verbergen habe. Interessant: Sein Name findet sich nicht auf der österreichischen Liste, sehr wohl aber auf der schweizerischen. Ein Bescheid der Staatsanwaltschaft Wien vom August 2013, wonach ein Ermittlungsverfahren gegen seinen Bruder Andrej eingestellt wurde, liegt der „Presse“ vor.

Weitere Topleute aus dem Janukowitsch-Regime, deren Konten gesperrt werden sollen, sind etwa der ehemalige Innenminister Vitali Sachartschenko, dem die neue Führung der Ukraine wegen der tödlichen Schüsse auf Demonstranten den Prozess machen will, Ex-Justizministerin Olena Lukasch und der abgesetzte Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka, der maßgebliche Verantwortliche für den Politprozess gegen die ehemalige Premierministerin Julia Timoschenko.

Eindeutige Zuordnung nötig

Auch wenn die Entscheidung im Außenamt gefallen ist – bis nun tatsächlich Konten gesperrt werden, kann es noch dauern. In Kraft tritt die Maßnahme ohnehin erst mit der Veröffentlichung im Amtsblatt, nach Informationen der „Presse“ soll dies noch heute, Samstag, geschehen. Und auch dann können die Banken – auf Basis einer Verordnung der Nationalbank – nur schnell reagieren, wenn eindeutig feststeht, dass ein bestimmtes Konto auch zu einer bestimmten Person gehört. Wenn also, hypothetisches Beispiel, ein Herr Viktor Janukowitsch, der identisch mit dem abgesetzten Präsidenten ist, zwei Millionen Euro auf einem Wiener Konto liegen haben sollte. Dasselbe gilt für Konten von Firmen, wenn sie einer der 18 Personen als Eigentümer eindeutig zugeordnet werden können.

In Bankenkreisen weist man denn auch darauf hin, dass es bei komplizierten Stiftungskonstruktionen oder Umwegen über Briefkastenfirmen mühsam sein könne, eine Sperre zu erwirken. „Hier perfekte Übereinstimmungen zu finden wird schwierig werden“, sagt ein mit der Materie vertrauter Gewährsmann der „Presse“.

FMA mahnte zur Wachsamkeit

Die Maßnahmen, die als Überbrückungsmaßnahmen bis zu echten EU-Sanktionen gedacht sind, haben also zuvörderst politische Bedeutung. Ihr Geld einfach noch schnell aus Österreich abzuziehen, ist für die Betroffenen dennoch nicht einfach: Die österreichische Finanzmarktaufsicht hat bereits vor einer Woche die Banken angewiesen, bei Transaktionen mit Bezug zu politisch exponierten Personen aus der Ukraine eine verstärkte Sorgfaltspflicht anzuwenden, sprich, im Verdachtsfall zunächst die Geldwäschemeldestelle beim Bundeskriminalamt einzuschalten und bis zur Klärung keine Transaktionen vorzunehmen. Mit der „Flexibilität“ der Finanzinstitute, die Sergej Klujew gelobt hatte, ist es also erst einmal vorbei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2014)

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