Russland stimmt für Militäreinsatz

Russland hält Militäreinsatz auf Krim für möglich
Russland hält Militäreinsatz auf Krim für möglich Reuters
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Russland setzt auf volle Konfrontation: Moskau hat angesichts einer angeblichen "Bedrohung" seiner Bürger einen Militäreinsatz um die Schwarzmeer-Halbinsel Krim erlaubt.

Die Ukraine steht am Rande eines militärischen Konflikts. Kremlchef Wladimir Putin sprach am Samstag angesichts der "außergewöhnlichen Situation" auf der Krim von der Notwendigkeit, die russischen Bürger sowie die dort stationierten Streitkräfte vor einer "Bedrohung" zu schützen. Das teilte die Präsidialverwaltung der Agentur Interfax zufolge mit. Putin hatte den Föderationsrat um Erlaubnis für den Einsatz der Streitkräfte gebeten. Der Einsatz sei so lange nötig, bis sich die Lage normalisiert habe. Das russische Oberhaus trat für die Intervention ein, um Blutvergießen zu verhindern. Eine offizielle Reaktion aus Kiew blieb zunächst aus.

Überblick

26. Februar: Wenige Tage nach dem Umsturz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew geraten auf der Krim Anhänger und Gegner einer Annäherung an Russland aneinander. Tausende Krimtataren demonstrieren gegen eine Abspaltung der autonomen Republik. Prorussische Demonstranten fordern die engere Anbindung an Moskau.

27. Februar: Bewaffnete besetzen Regionalparlament und Regierungsgebäude in der Hauptstadt Simferopol, um die russische Bevölkerung auf der Krim zu verteidigen, wie sie sagen. Das prorussische Krim-Parlament spricht sich für eine Volksbefragung über die Autonomie der Region im Mai aus und setzt die Regierung ab.

28. Februar: Eine bewaffnete prorussische Gruppe besetzt kurzzeitig den Flughafen der Hauptstadt. Das ukrainische Parlament appelliert an Moskau, alles zu unterlassen, was die territoriale Einheit des Landes gefährde. Nach ukrainischen Berichten sind auf der Krim russische Militärmaschinen mit rund 2000 Soldaten gelandet. Interimspräsident Alexander Turtschinow spricht von einer "militärischen Invasion" unter dem Deckmantel einer Übung.

1. März: Der moskautreue neue Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow übernimmt vorübergehend die Befehlsgewalt und bittet Kremlchef Wladimir Putin um Beistand. Er zieht das Referendum über die Zukunft der Krim auf den 30. März vor. Die russische Staatsduma ruft Putin auf, der neuen Regierung auf der Krim Beistand beim Schutz der Bürger zu leisten. Die prorussische Krim-Regierung und die auf der Halbinsel stationierte russische Schwarzmeerflotte vereinbaren eine Zusammenarbeit bei der Sicherung der öffentlichen Ordnung. Nach Einschätzung des ukrainischen Verteidigungsministeriums hat Russland seine militärische Präsenz inzwischen auf 6000 Soldaten verstärkt.

Verletzung der Souveränität hat ihren Preis

Präsident Putin ignoriert damit die Aufforderung des Westens, sich nicht in den Konflikt einzumischen. US-Präsident Barack Obama hatte Russland am Freitagabend (Ortszeit) vor einem militärischen Eingreifen gewarnt. Jede Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine werde einen "Preis" haben, erklärte er. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte am Samstag zur Bewahrung der Einheit der Ukraine. Es müsse "alles getan werden", dass Konflikte "friedlich und diplomatisch gelöst werden", sagte Merkel in Berlin.

Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates

Angesichts der eskalierenden Lage in der Ukraine hält der UN-Sicherheitsrat nach Angaben von Diplomaten eine weitere Dringlichkeitssitzung ab. Das Gremium komme am Samstag in New York um 14.00 Uhr Ortszeit (20.00 Uhr MEZ) für eine zweite Runde von Krisengesprächen binnen 24 Stunden zusammen, erklärte der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Die Außenminister der Europäischen Union wollen am Montag in Brüssel über die Lage in der Ukraine beraten. Wie das Auswärtige Amt am Samstag in Berlin mitteilte, hat die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zu dem Sondertreffen eingeladen. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und sein französischer Kollege Laurent Fabius werden deshalb ihre für Montag geplante gemeinsame Reise nach Moldau und Georgien verschieben.

Abstimmung über Einsatzdetails

Zuvor hatte Föderationsratschefin Valentina Matwijenko gesagt, dass der Einsatz eines begrenzten Kontingents an Streitkräften möglich sei. Um welche Truppenstärke es sich handelte, war zunächst nicht klar. Der Föderationsrat kam am Abend in Moskau zu einer Debatte zusammen, um Details des Einsatzes zu besprechen und darüber formell abzustimmen.

Russland hat in der Krim-Stadt Sewastopol seine Schwarzmeerflotte stationiert. Die Erlaubnis eines Militäreinsatzes könnte sich auf dieses Kontingent beziehen, nähere Angaben dazu gab es aber zunächst nicht. Ukrainische Behörden hatten zuvor behauptet, es seien 2000 russische Soldaten auf der Krim gelandet. Eine Bestätigung gab es dafür aber nicht.

Gesuch um Beistand

Der Chef der Staatsduma, Sergej Naryschkin, sowie der Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow hatten zuvor ein Gesuch um Beistand an Putin gerichtet. Der Kreml hatte zunächst nur mitgeteilt, das Ersuchen von Aksjonow zu prüfen. Die russische Militärdoktrin erlaubt den Einsatz von Streitkräften im Ausland zum Schutz eigener Bürger.

Es seien Schritte für eine Stabilisierung der Lage auf der Krim nötig, sagte Parlamentschef Naryschkin. "Die Abgeordneten rufen den Präsidenten auf, (...) alle zur Verfügung stehenden Mittel für den Schutz der Bevölkerung auf der Krim vor Willkür und Gewalt zu gewährleisten", sagte Naryschkin.

Referendum vorverlegt

Russland verurteilte einen gewaltsamen Versuch, das Gebäude des Innenministeriums in der Krim-Hauptstadt Simferopol zu stürmen. Die ukrainischen Truppen wurden zurückgedrängt. Es habe Verletzte gegeben, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Das Ministerium zeigte sich in einer Mitteilung "äußerst besorgt".

Der moskautreue Krim-Regierungschef Aksjonow übernahm vorübergehend die Befehlsgewalt in der Autonomen Republik. Er rief Kremlchef Putin um Beistand für Ruhe und Frieden an. Zugleich zog die prorussische Führung in Simferopol ein Referendum über die Zukunft der Autonomen Republik um zwei Monate auf den 30. März vor. Es war zunächst für den 25. Mai geplant gewesen.

Grund für die Vorverlegung sei die zunehmende Verschlechterung der Lage auf der Halbinsel, sagte Aksjonow. "Der Konflikt ist über die Grenzen des Vernünftigen hinausgegangen", sagte er. Das Datum sei aber weiterhin nur vorläufig - und abhängig von der Entwicklung.

Wer nicht einverstanden ist, kann gehen

In einer öffentlichen Erklärung sagte Aksjonow, die Truppen des Innenministeriums, des Geheimdienstes SBU sowie die Flotte, der Zivilschutz und andere Dienste hätten nun seinem Kommando zu folgen. "Wer nicht einverstanden ist, den bitte ich, den Dienst zu verlassen", sagte er. Nach der Befehlsübernahme von Aksjonow war die Lage zunächst ruhig.

Der prorussische Regierungschef warf der ukrainischen Zentralregierung vor, die Verfassung der Autonomen Krim-Republik zu verletzen. So sei ohne Mitsprache der Krim-Führung etwa ein neuer Polizeichef ernannt worden, kritisierte der Politiker. Ihm wurde der Zugang zur Behörde in Simferopol verweigert.

Der neue ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk forderte Russland auf, seine Truppen von der Krim abzuziehen. Es gebe gegenwärtig einen "unzulässigen Aufenthalt" russischer Soldaten auf der Krim. Die Ukraine werde auf Provokationen nicht mit Gewalt reagieren, sagte Jazenjuk. Der Luftraum über Simferopol war weiter gesperrt, hieß es.

Proteste an der Krim

In mehreren russischsprachigen Regionen der Krim gab es am Samstag Proteste gegen die neue Regierung in Kiew, teils mit schweren Handgemengen. In der Stadt Charkow (Charkiw) besetzten prorussische Kräfte das Gebäude der Gebietsverwaltung, Aktivisten hissten auf dem Gebäude die russische Flagge sowie die Fahne von Charkow. Die Polizei schritt nicht ein.

Eine Woche nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch hat sich die Krise in der vor dem Staatsbankrott stehenden Ex-Sowjetrepublik damit weiter verschärft. Interimspräsident Alexander Turtschinow hatte davor gewarnt, dass Russland eine Annexion der Krim plane. Der sowjetische Kremlchef Nikita Chruschtschow hatte die Krim 1954 an seine ukrainische Heimat verschenkt. Bis heute wohnen dort mehrheitlich Russen.

(APA/Reuters)

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