Saudiarabien: Abdullah bringt 69-jährigen „Jungspund“ in Stellung

Saudiarabien, König Abdullah
Saudiarabien, König Abdullah(c) REUTERS (KEVIN LAMARQUE)
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Das wahabitische Wüstenkönigreich steht vor dem heikelsten Machtwechsel seines 80-jährigen Bestehens. Der 90-jährige kranke König Abdullah will bei der Thronfolge nichts dem Zufall überlassen.

Kairo/Riad. Beim Besuch von Barack Obama vergangene Woche trug sein hochbetagter Gastgeber einen Sauerstoffschlauch in der Nase. Über 90 Jahre ist Saudiarabiens König Abdullah alt, rückenleidend, übergewichtig, schnell ermüdend und nur noch per Rollator mobil. Der Monarch habe Krebs und nur noch wenige Monate zu leben, verbreiteten US-Diplomaten, auch wenn er die zwei Stunden Diskussion mit dem 52-jährigen US-Präsidenten offenbar mit Witz und Elan absolviert hat.

Nur 24 Stunden zuvor hat Abdullah wie aus heiterem Himmel seinen jüngsten Halbbruder, Muqrin bin Abdulaziz, zum zweiten Kronprinzen befördert. Die Entscheidung sei „unwiderruflich und kann von niemandem annulliert werden“, hieß es in dem Dekret.

Abdullah weiß, dass nach seinem Tod dem saudischen Wüstenreich der heikelste Machtübergang seit seiner Entstehung vor 80 Jahren bevorsteht. Zwar hat Staatsgründer Abdelaziz Ibn Saud 1953 verfügt, dass die Thronfolge dem Alter nach auf seine 34 Söhne übergeht. Ein Erbmechanismus für die dritte Generation dagegen gibt es nicht, und das könnte die Monarchie – wie schon im 19. Jahrhundert – in existenzbedrohende Machtkämpfe stürzen. 2006 band Abdullah darum die Repräsentanten aller 34 Familienzweige in einem Thronrat zusammen. Dieser soll nach seinem Ableben den neuen Herrscher aus der dritten Generation küren, allerdings muss das Votum einstimmig sein.

Mittlerweile schwant dem Staatsoberhaupt, dass der von ihm ersonnene Mechanismus nicht funktionieren kann, sodass er die weitere Thronfolge jetzt erneut per Dekret festlegt. Der erste Kronprinz Salman ist 79 und gilt nach einem Schlaganfall 2010 de facto als amtsunfähig. Der neue zweite Kronprinz ist mit 69 Jahren der jüngste der 34 Abdelaziz-Sprösslinge, hat aber aus Sicht anderer Wüstenaristokraten keinen Anspruch auf den Thron, weil er von einer jemenitischen Sklavin abstammt. Und so verweigerten sieben der 34 Mitglieder am Wochenende im Kronrat ihre Zustimmung – ein Indiz für wachsende Spannungen innerhalb des weit verzweigten Clans.

Unmut über „Schmarotzer“

Ungeachtet dessen geriert sich Saudiarabien nach dem Arabischen Frühling weiter als wichtigster Hort der Stabilität in einer immer chaotischeren Region. Doch auch auf der Arabischen Halbinsel gärt es. Die Jihadisten in Syrien könnten ihren Sponsoren am Golf bald gefährlich werden. Und im saudischen Cyberspace wächst der Unmut über die „Schmarotzerklasse“ der rund 8000 Prinzen. Auf Facebook werden Korruptionsfälle detailgenau ausgebreitet und skurrile Fatwas wahabitischer Scheichs verspottet. Zwei Drittel der 20 Millionen Saudis sind jünger als 30 Jahre. Zwischen zehn und 15 Prozent sind arbeitslos. In Teilen des Landes herrscht trotz des 730-Milliarden-Dollar großen Staatsschatzes bittere Armut, in vielen Städten katastrophaler Wohnungsmangel.

Und so halten sich in Riad hartnäckig Gerüchte, der greise König könnte noch zu Lebzeiten abdanken, um einen reibungslosen Generationswechsel zu garantieren. Die Führung werde sich immer bewusster, dass schnelle Entscheidungen bei der Thronfolge notwendig sind, kommentierte dieser Tage die Zeitung „Asharq Al-Awsat“, die dem Königshaus nahesteht. Abdullah wolle das Land „vor unangenehmen und überraschenden Entwicklungen“ schützen, denn Saudiarabien liege im Zentrum einer turbulenten und zutiefst aufgewühlten Region.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2014)

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