Venedig: Im Panzer gegen das verhasste Rom

Venedig, Rom
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Venezianische Separatisten wollten mit Waffen den Markusplatz "erobern". 24 wurden festgenommen. Ihre Bewegung ist ein Symptom für die wachsende Unzufriedenheit mit der Regierung.

Venedig/Wien. Die Abspaltung der norditalienischen Region Veneto war bereits fix und fertig geplant. Oder zumindest ein erster Schritt dazu: Mit einem selbst gebastelten „Panzer“ samt Minikanone wollten Separatisten den Markusplatz in Venedig besetzen. Der „Umsturz“ der bisher unbekannten „Alleanza“ hätte im Umfeld der EU-Wahl Ende Mai stattfinden sollen.

Doch die Polizei durchkreuzte das Vorhaben. Bei einer Razzia Mittwochfrüh wurde in einem Schuppen im Ort Casale di Scodosia nahe Padua der Selfmade-Panzer entdeckt. Das 40 Tonnen schwere Gerät („Tanko“) – ursprünglich ein Bagger – sei funktionsfähig, so die Polizei. 24 „Unabhängigkeitskämpfer“ wurden festgenommen, darunter der Gründer der Liga Veneta, Franco Rochetta. Ihnen wird „Terrorismus, Umsturzversuch und Herstellung von Kriegswaffen“ vorgeworfen.

Die Aktivisten gingen aufs Ganze. „Diesmal schießen wir“, soll ein Separatist in einem abgehörten Telefongespräch gesagt haben. Ein anderer habe darauf gedrängt, Dynamit einzusetzen. „Wir müssen den Staat zerstören und die Banken in die Luft sprengen. Ein Teil der Polizei wird auf unserer Seite sein.“ Laut Sicherheitskräften wollte die „Alleanza“ von albanischen Schmugglern Waffen kaufen.

Es ist der zweite Versuch, den Markusplatz einzunehmen: Bereits im Mai 1997 hatte die Liga Veneta mit einem „Panzer“ (damals ein umgebauter Lieferwagen) die wohl bekannteste Piazza Italiens besetzt. Die „Serenissimi“ hatten zudem den Campanile „erobert“ und dort die Fahne der „Republik Venetien“ gehisst.

„Müssen wir ernst nehmen“

In der italienischen Öffentlichkeit wurden die Aktionen der venetianischen Separatisten – davon gibt es etliche Splittergruppen – bisher eher als rüpelhafter, folkloristischer Provinzialismus abgetan. Auch das unverbindliche Online-Unabhängigkeitsreferendum vor zwei Wochen wurde anfangs medial ignoriert. Doch als 89 Prozent der Wahlbeteiligten die Frage „Willst du, dass die Region Veneto eine unabhängige und souveräne Bundesrepublik wird?“ angeblich mit einem Ja beantworteten, schreckten die Medien auf. Laut den Organisatoren beteiligten sich 73 Prozent der Wählerschaft des Veneto.

Zwar sind die Ergebnisse des Referendums umstritten – nachweislich war es möglich, dass dieselbe Person mehrmals hintereinander abstimmte. Doch der renommierte Demoskop Ilvio Diamanti warnt: „Wir müssen das ernst nehmen.“ Die Ergebnisse spiegelten glaubwürdig den wachsenden Frust über Rom wider.

Tatsächlich sagten in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Demos 80 Prozent der wahlberechtigten Venetianer, dass die Befragung sinnvoll sei. Die Hälfte gab an, daran teilgenommen zu haben. Davon sprachen sich 55 Prozent für eine Abspaltung von Rom aus. Bezeichnenderweise wünschen sich das vor allem Kleinunternehmer und Arbeiter – sowie die Mehrheit der jungen Venetianer. Laut Umfrage verstärkte sich der Wunsch nach Unabhängigkeit seit Beginn der Wirtschaftskrise.

Das ist laut Diamanti bezeichnend: Der venezianische – und norditalienische – Separatismus habe im Gegensatz zu anderen ähnlichen europäischen Bewegungen keine „ethnische Komponente“, sondern werde vor allem vom Hass auf „den ausbeuterischen Bürokratenstaat“ (Rom und Brüssel) beflügelt. Im einst wirtschaftlich boomenden Veneto mussten seit 2008 20.000 Unternehmen schließen, die Arbeitslosigkeit hat mit 7,7 Prozent Rekordwerte erreicht. Unter der Krise leiden vor allem die mittleren und kleinen Familienbetriebe. Erstickt werden sie von den höchsten Steuersätzen der EU, was die Wut auf Rom verstärkt. Doch auch der „teure“ Euro und die „von Brüssel diktierten“ Sparprogramme werden für die Misere verantwortlich gemacht. Es ist also kein Zufall, dass die Separatisten das „räuberische Rom“ oft im gleichen Atemzug mit dem „diktatorischen Brüssel“ nennen.

Der Chef der separatistischen Lega Nord, Matteo Salvini, nutzte indes die Gunst der Stunde und stilisierte seine festgenommenen Gesinnungsgenossen als Märtyrer. „Der Staat macht uns keine Angst“, polterte er gestern. Und verlangte ein Referendum für die Lombardei.

AUF EINEN BLICK

Die italienische Polizei erließ 24 Haftbefehle gegen Separatisten der Region Veneto. Den Verdächtigten werden Terrorismus, Umsturzversuche sowie Herstellung und Besitz von Kriegswaffen vorgeworfen. In mehreren Städten gab es Hausdurchsuchungen. Die Verdächtigen sollen auch einen Panzer gebaut haben, der der „Eroberung“ des Markusplatzes in Venedig hätte dienen sollen. Bereits 1997 hatten venezianische Separatisten den Glockenturm des Markusdoms gestürmt und die Fahne der 1797 aufgelösten „Republik von Venetien“ gehisst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2014)

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