Am Donnerstag entscheidet ein Gericht über die Strafe des verurteilten Ex-Premiers. Laut Medien wird er zum Sozialdienst verdonnert – in einer Anstalt für behinderte Senioren.
Rom. Vor diesem Donnerstag hat er Angst. Da nämlich könnte es den Mailänder Richtern einfallen, ihn, den rechtskräftig verurteilten Steuerbetrüger Silvio Berlusconi (77), zu einem Jahr Sozialdienst zu verdonnern oder ihn in den Hausarrest zu stecken.
Bereits einen Tag vor dem Urteil kursierten Gerüchte über das Schicksal des Ex-Premiers: Nach Angaben der katholischen Tageszeitung „Avvenire“ wollen die Justizbehörden dem zuständigen Mailänder Gericht vorschlagen, dass der Ex-Premier ein Jahr Sozialdienst in einer Anstalt für behinderte Senioren leistet.
Nach Angaben von „Avvenire“ würde der Sozialdienst im Altersheim Berlusconi lediglich einmal pro Woche halbtags beschäftigen. Die Anstalt befindet sich unweit von Mailand und wäre von Berlusconis Luxusresidenz aus leicht erreichbar. Die mit dem Sozialdienst verbundenen Auflagen sind für Berlusconi kaum belastend. So wäre er lediglich verpflichtet, von 23 Uhr bis 6 Uhr morgens zu Hause zu bleiben.
Sozialdienst habe den Vorteil, dass dabei die Auflagen für die Bewegungsfreiheit weniger strikt seien, auch sei der Kreis der Gesprächspartner nicht so eingeschränkt wie beim Hausarrest, berichteten Experten. Die Ableistung des Sozialdienstes würde Berlusconi außerdem eine zweimonatige Verkürzung der Strafe ermöglichen. Unter Hausarrest könnte der Medienzar nur seine engsten Angehörigen, die mit ihm wohnen, und seine Rechtsanwälte sehen. Um die Spitzenrepräsentanten seiner Oppositionspartei Forza Italia treffen zu können, müsste Berlusconi jedes Mal bei Gericht um Erlaubnis bitten.
Mehrere Gemeinschaften und Verbände haben sich dazu bereit erklärt, dass Berlusconi bei ihnen seinen Sozialdienst ableisten könne. Zu ihnen zählt ein Verein, der sich für Opfer von Justizfehlern einsetzt, ein Thema, das dem Medienzaren am Herzen liegt, da er sich selbst seit Jahren als Opfer einer Justizkampagne gegen seine Person sieht.
„Diktatur der Justiz“
Berlusconi hatte zuletzt auch noch den Staatspräsidenten angebettelt, er möge ihm im Kampf gegen die „Diktatur der Justiz“ helfen und ihm „politische Handlungsfähigkeit garantieren“. Ergebnislos. Jetzt kann Berlusconi nur noch hoffen, dass die Mailänder Richter ihn tatsächlich für die nächsten Monate zu sozial nützlichen Tätigkeiten begnadigen und nicht in Hausarrest schicken. Allerdings könnten die Richter dem Sträfling auch politische Wortmeldungen verbieten. „Wollen mal sehen, ob sie sich das trauen!“, sagt Berlusconi. Immerhin führt er weiterhin seine Partei Forza Italia an, die laut Umfragen zweitstärkste politische Kraft des Landes. Und in sechs Wochen finden Europawahlen statt.
Bis zuletzt hat Berlusconi also so viel Wirbel wie möglich gemacht. Den mit Gegner Matteo Renzi, dem linksdemokratischen Premier, ausgehandelten Pakt zur Verfassungsreform nannte er auf einmal „unverdaulich“ und „neu auszuhandeln“. Falls Renzi da nicht mitspielt, sagt Berlusconi, „fliegt alles in die Luft“.
Was, alles? Renzi braucht Berlusconi nicht zum Regieren. Und falls er für die Verfassungsreform – ohne Berlusconi – im Parlament keine Zweidrittelmehrheit zustande bringt, kann er anschließend das Volk zum Referendum rufen. Es geht ja vor allem um die drastische Reduzierung einer von zwei Parlamentskammern; drei Viertel aller Italiener sind dafür, und im Europawahlkampf kann Renzi dann die Reformerfahne schwingen: „Seht, was ich hinkriege, auch wenn die anderen nicht wollen!“
Wie auch immer: Verstummen oder gar unsichtbar werden will Berlusconi auf gar keinen Fall. Etliche Werbespots für die Europawahlen hat er bereits aufzeichnen lassen. Man weiß ja nie. (APA, pk)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2014)