Ukraine-Krise: Timoschenko will Runden Tisch

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Kiew unterbricht den Anti-Terror-Einsatz im Osten über die Osterfeiertage.

Als erste ukrainische Spitzenpolitikerin ist die Präsidentschaftskandidatin Julia Timoschenko in die unruhigen Ostprovinzen gereist, um den Weg für eine politische Lösung zu ebnen. In Donezk schlug die frühere Ministerpräsidentin vor, den Konflikt mit prorussischen Kräften an einem Runden Tisch zu lösen, also ohne Gewalteinsatz. Auch Russland fordert einen innerukrainischen Dialog.

Zu den Gesprächen in Donezk müssten aus allen Teilen der Ukraine Vertreter zu Verhandlungen zusammenkommen, teilte Timoschenkos Pressedienst am Samstag mit. Die prowestliche Übergangsregierung in Kiew unterbrach ihren sogenannten Anti-Terror-Einsatz im Osten des Landes für die Osterfeiertage, um zu einer Deeskalation beizutragen.

Unterdessen teilte das Außenministerium in Kiew mit, dass die Genfer Beschlüsse für eine Beilegung des Konflikts nun durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) rasch umgesetzt werden sollen. Führende Vertreter der OSZE sollen noch am Samstag in die Ostukraine reisen, um dort mit Mitarbeitern konkrete und praktische Schritte für eine Deeskalation einzuleiten.

Uniformierte fodern Autonomie

In vielen Städten der Ostukraine besetzen seit Wochen nach Russland orientierte bewaffnete Uniformierte zahlreiche öffentliche Gebäude. In Donezk haben Aktivisten sogar eine Volksrepublik ausgerufen. Sie fordern eine Föderalisierung der Ukraine mit Autonomierechten für die russischsprachigen Gebiete. Eine bei internationalen Krisengesprächen in Genf vereinbarte Entwaffnung lehnten sie ab. Die Spannungen gefährden die für den 25. Mai geplante Präsidentenwahl.

In der Region Donezk ist die Mehrheit der Bevölkerung offenbar gegen einen Beitritt zur Russischen Föderation. In einer Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie, die die Zeitung "Dserkalo Tyschnija" veröffentlichte, sprachen sich 52,2 Prozent der Befragten aus Donezk gegen eine Angliederung an Russland aus. Nur 27,5 Prozent waren dafür. Im gesamten Südosten der Ukraine, wo eine große russischsprachige Bevölkerungsgruppe lebt, waren sogar 69,7 Prozent der mehr als 3200 Befragten gegen einen Beitritt zu Russland und nur 15,4 Prozent dafür.

Die US-Regierung bekräftigte ihre Forderung an Russland, für eine sofortige Umsetzung der Genfer Vereinbarung zu sorgen. Nach Angaben des US-Außenministeriums telefonierte Außenminister John Kerry am Freitag mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow und dem ukrainischen Regierungschef Arseni Jazenjuk. Kerry habe klargemacht, dass die nächsten Tage eine "entscheidende Periode" für alle Seiten sei, die Übereinkunft umzusetzen. Vor allem müssten alle "illegal bewaffneten" Gruppen ihre Waffen abgeben.

Russland interpretiert die Genfer Vereinbarung so, dass auch die "Milizen des Rechten Sektors und anderer faschistischer Gruppen" in Kiew ihre Waffen abgeben müssten. Washington weist aber Parallelen der Ereignisse in Kiew, die zum Sturz der gewählten Regierung geführt hatten, und der aktuellen Krise im Osten der Ukraine zurück. Die prorussischen Kräfte in der Ostukraine wollen ihre Waffen nicht abgeben, solange Kiew ihre festgenommenen Anführer nicht freilässt und den Rechten Sektor nicht entwaffnet.

Nach einem Bericht der "New York Times" wollen die USA ihre Militärpräsenz in Polen erhöhen. In der kommenden Woche würden beide Länder die Entsendung von US-Bodentruppen bekannt geben, sagte der polnische Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak der Zeitung zufolge bei einem Redaktionsbesuch. Demnach ist die Maßnahme Teil einer Ausweitung der NATO-Präsenz in Mittel-und Osteuropa. Unklar blieb zunächst der Umfang des US-Kontingents. Die "New York Times" meldete am Samstag, die USA planten kleine Manöver mit Bodentruppen in Polen und Estland.

Demgegenüber hat Russland seine Truppen in den Grenzregionen zur Ukraine bereits verstärkt. Zusätzlich zu den ständigen Einheiten seien wegen der Entwicklung in der Ukraine weitere Truppen zur Verstärkung an die Grenze verlegt worden, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow, am Samstag dem Fernsehsender Rossija 1.

Kirche ruft zu Ende der Gewalt auf

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill rief mit Blick auf das Osterfest zu einem Ende der Gewalt auf. "Unser besonderes Gebet heute ist für die Völker Russlands und der Ukraine - damit Frieden gedeiht in den Köpfen und in den Herzen unserer Brüder und Schwestern", sagte das Oberhaupt der größten orthodoxen Kirche. "Die Ukraine ist zwar Ausland - aber geistig und historisch war sie das nie", sagte Kirill.

Kremlchef Wladimir Putin rief die Ukraine erneut auf, ihre Milliardenschulden für russische Gaslieferungen in spätestens einem Monat zu bezahlen. Russland könne nicht dauerhaft den Unterhalt für ein "45-Millionen-Volk" bezahlen, sagte er dem Staatsfernsehen. Es seien Schulden von 2,2 Milliarden US-Dollar (1,59 Mrd. Euro) aufgelaufen.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger warnte vor einer Krise der Gasversorgung in Europa. Der "Welt am Sonntag" sagte er: "Wenn wir Kiew nicht in die Lage versetzen, offene Gasrechnungen von mehr als zwei Milliarden Dollar zu bezahlen, besteht die Gefahr, dass Russland die Ukraine nicht mehr versorgt." Da die Ukraine das wichtigste Transitland nach Europa sei, könne es "zu einem schwer kontrollierbaren Prozess kommen, der auch Deutschland betrifft".

Nach dem Anschluss der Schwarzmeerhalbinsel Krim an Russland versprach Putin den dort eingesetzten Soldaten Staatsprämien. Ihre Namen würden aber nicht bekannt gegeben, sagte Putin im Fernsehen. Er hatte zuvor eingeräumt, dass das russische Militär den "freien Selbstverteidigungskräften" auf der Krim den Rücken gestärkt habe. Die Halbinsel ist seit mehr als 200 Jahren Sitz der russischen Schwarzmeerflotte.

(APA/dpa/Reuters/AFP)

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