Auf Mustafa Kemal Atatürk ("Vater der Türken"), Begründer der modernen Türkei geht die enge Verbindung von Politik und Militär zurück. Er selbst wurde für seine Leistungen im Ersten Weltkrieg zum General befördert, 1922 schlug er die griechische Invasion zurück. Damit war die Basis für die Stellung des Militärs gelegt.Atatürk auf einer Aufnahme von 1937
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Im ersten Kabinett der Republik war fast ein Drittel aus den Rängen der Armee. "Wann immer die türkische Nation einen Schritt nach vorn machen wollte, hat sie stets auf die Armee geblickt. Die türkische Nation betrachtet die Armee als Hüterin ihrer Ideale." Mit diesen Worten steckte Atatürk selbst den Rahmen ab. Seine starke Stellung im Staat begründet das Militär bis heute auch damit, Atatürks Staatsideologie des Kemalismus schützen zu müssen.Atatürk-Porträt auf einem Haus in Istanbul.
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Bis 1945 war die Türkei ein Einparteienstaat unter Herrschaft der "Republikanischen Volkspartei" (CHP), in der Militärs den Ton angaben. Sie konnten sich mit dem Mehrparteien-System nur zögerlich anfreunden. Dennoch klebten sie nach ihren Coups nie lange an der Macht, sondern zogen es vor, lieber im Hintergrund die Fäden zu ziehen.Im Bild: Zwei Demonstranten bei einer Kundgebung der Partei der Nationalistischen Bewegung im vergangenen Juni, vor einem Atatürk-Poster.
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Der erste Putsch, geführt von Oberst Alparslan Türkes, fand am 27. Mai 1960 statt: Premier Adnan Menderes von der "Demokratischen Partei" wurde verhaftet und 1961 gehängt. Er hatte gegen die enge Verbindung von Republikanischer Volkspartei (CHP) und Militär vorgehen wollen. Die Junta wollte nicht lange am Ruder bleiben und ließ bald eine neue Verfassung ausarbeiten: Die Macht der für ihren Geschmack zu selbstbewussten Regierung wurde geschwächt, eine zweite Parlamentskammer und ein Verfassungsgerichtshof wurden als zusätzliche Kontrollinstanzen eingebaut. Justiz und Verfassungsgericht sollten das Militär bei der "Wahrung des kemalistische Erbes" oftmals tatkräftig unterstützten.Im Bild: Soldaten-Handkuss für Ismet Inönü. Der Vertraute Atatürks wurde vom Militär 1961 als Premier eingesetzt.
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Unblutig griff das Militär 1971 zum zweiten Mal ein: Premier Suleiman Demirel war gescheitert, der ausufernden Gewalt _ zunächst seitens linker Gruppierungen, später auch durch die ultranationalistischen "Grauen Wölfe" - Herr zu werden. Demirel wurde per Memorandum der Rücktritt nahegelegt, die Armee setzte mehrere Technokraten-Regierungen ein. Diesmal gab es keine neue Verfassung, 1973 fanden wieder reguläre Wahlen statt. Die Stunde der Armee schlug ein Jahr später, mit der Invasion auf Zypern (Bild) - ironischerweise als Reaktion auf einen Militärputsch gegen den zypriotischen Machthaber Makarios, angezettelt, von der Athener Junta. Die Türkei hat bis heute rund 35.000 Soldaten auf der geteilten Mittelmeerinsel stationiert.
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Der Fundamentalist Necmettin Erbakan war für die Armee schon immer ein rotes Tuch. Als er 1996 Premier wurde, stellte sich nicht die Frage ob, sondern nur wann die Armee etwas unternehmen würde. Sie richtete mehrere Warnungen an Erbakan, bis er nach ziemlich genau einem Jahr im Amt zurücktrat. Seine Partei wurde verboten.
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Ein Bild des Chaos bot die Türkei gegen Ende der 1970er Jahre: Der politische Terrorismus feierte fröhliche Urständ', im Parlament wurden Abgeordnete mit Geld zum Lagerwechsel "überredet", die Wirtschaft lag darnieder: Besonders im Winter 1979/80 bekamen die Menschen die Lebensmittel- und Erdöl-Knappheit stark zu spüren. Frappant erinnert ein Punkt an das Jahr 2007: Das Parlament scheiterte Monate daran, einen Präsidenten zu wählen. Am 12. September 1980 war es wieder soweit: Die Panzer rollten, das Militär übernahm die Macht. Im Bild: Demonstrationen zum 25. Jahrestag des Putsches im September 2005Die Armee ließ - wie schon 1960 - eine neue Verfassung ausarbeiten, die 1982 per Referendum angenommen wurde. Als Gegenpol zur zivilen Regierung lässt sich Putsch-General Kenan Evren 1983 zum Staatschef wählen.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Türkei ist seit den Wahlen am 28. August mit Abdullah Gül ein gemäßigt-islamischer Politiker Staatspräsident. Das Militär wollte dies verhindern.
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Seit ihrer Wahl umstritten ist Güls islamisch-konservative Partei AKP ("Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung"). Sie bildet die stärkste Fraktion im türkischen Parlament unter Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan (Im Bild). Seit März 2008 läuft ein Verbotsverfahren gegen die AKP, da sie dem Generalstaatsanwalt zufolge ein "Zentrum anti-laizistischer Aktivitäten" geworden ist. Die Staatsanwaltschaft fordert ein Politikverbot für 71 Personen, darunter auch Gül und Erdogan.
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Von Atatürk bis heute
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