Premier droht Rücktritt an: Slowenien vor der Krise

(c) Reuters (Sebastien Pirlet)
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Kurz vor dem ersten EU-Ratsvorsitz in der Geschichte Sloweniens steuert das Land auf eine handfeste politische Krise zu. Der konservative Premier Janez Jansa droht mit dem Rücktritt seiner Regierung.

Nach der deutlichen Niederlage des konservativen Kandidaten Lojze Peterle bei der Stichwahl um das Präsidentenamt droht Slowenien in eine handfeste politische Krise zu schlittern. Regierungschef Janez Jansa sagte am Dienstag: "Es sind alle Möglichkeiten offen, einschließlich eines Rücktritts der Regierung." Eine Regierungskrise käme denkbar ungelegen: Slowenien übernimmt mit Jahreswechsel für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft.

Jansas Vier-Parteien-Kabinett ist jüngst vor allem wegen der hohen Inflation unter Druck geraten, am Samstag wollen die Gewerkschaften mit einer Großdemonstration in Laibach für höhere Löhne protestieren. Sie haben auch mit einem Generalstreik gedroht, um die Regierung für ihre Anliegen zu gewinnen.

Die Opposition bezeichnete Jansas Ankündigung als "verantwortungslos". Es sei ein "Ausdruck der Hilflosigkeit", meinte etwa Fraktionschef der sozial-liberalen Partei "Zares" Matej Lahovnik. Der Abgeordnete der nationalistischen Slowenischen Nationalpartei (SNS) Saso Pece sprach von einem "Bluff". Jansa sei "nicht fähig, die Verantwortung für seine eigene Unfähigkeit zu übernehmen" und suche Verantwortlichen für seine Fehler anderswo. 

EU: "Interne Angelegenheit Sloweniens"

Die EU-Kommission wollte zu den Rücktrittsüberlegungen des slowenischen Regierungschefs Janez Jansa am Dienstag nicht Stellung nehmen. Dies sei eine "interne Angelegenheit Sloweniens", sagte eine Kommissionssprecherin auf entsprechende Fragen. Es sei allerdings bereits vorgekommen, dass eine Regierung während einer EU-Ratspräsidentschaft zurückgetreten sei, konkret in Italien im Jahr 1996.

Trotz dieser hausgemachten Probleme macht Jansa vor allem die Opposition für seinen möglichen Rücktritt verantwortlich. Die während der Wahlkampagne geschaffenen politischen Verhältnisse "erschweren der Regierung sogar die routinemäßige und tägliche Arbeit", erklärte der slowenische Premier am Dienstag. Besonders die Vorbereitungen auf den EU-Vorsitz würden unter diesem schlechten Klima leiden.

Die Wahlkampagne habe sich auf die "Abrechnung" mit der Regierung konzentriert, meinte Jansa. Besorgniserregend findet er die Tatsache, dass man viel Kraft dafür gesetzt habe, die slowenische Regierung vor dem Ratsvorsitz im Ausland schlechtzumachen. "In die EU und die ganze Welt wurden Nachrichten aus Slowenien geschickt, die die Situation so darstellten, als ob es sich um Weißrussland oder einen anderen vergleichbaren Staat handle", sagte Jansa. Die so geschaffenen Verhältnisse erschwerten die Regierungsarbeit.

Nur 31 Prozent für Regierungskandidaten

Bei der Stichwahl am Sonntag hatte Danilo Türk, der Kandidat der Sozialdemokraten, 68,26 Prozent der Stimmen erreicht, der von Jansa unterstützte konservative Ex-Premier Lojze Peterle landete bei nur 31,74 Prozent der Stimmen. Peterle hatte daraufhin von einem "Votum für die Regierung" gesprochen und die Koalitionsparteien aufgerufen, ernsthaft über Konsequenzen nachzudenken.

Jansa macht in jüngster Zeit neben der Oppositionskritik auch die Unruhe in den Reihen der Regierungskoalition zu schaffen. Die linkslastige Demokratische Pensionistenpartei (DeSUS) hat mehrfach mit einem Austritt aus dem Vier-Parteien-Bündnis gedroht und soll derzeit über ein Zusammengehen mit der neu geschaffenen linksliberalen Oppositionspartei Zares verhandeln.

Von den drei rechtsgerichteten Regierungsparteien macht Jansa vor allem die Slowenische Volkspartei (SLS) Probleme. Dort kam es am Wochenende ebenfalls zu einer wichtigen Weichenstellung. SLS-Chef Janez Podobnik machte vor dem Parteikongress, der am Samstag stattfinden wird, seinem innerparteilichen Widersacher Bojan Srot Platz und verzichtete auf eine Kampfkandidatur um den Parteivorsitz. Srot wird eine größere Distanz zu Jansa als Podobnik nachgesagt und er will sich nicht auf eine Fortsetzung des Regierungsbündnisses nach der kommenden Parlamentswahl festlegen, die im Herbst 2008 stattfinden wird.

Finte nicht ausgeschlossen

Die Mitte-Rechts-Regierung verfügt im Parlament über eine Mehrheit von 49 der 90 Stimmen. Jansas Slowenische Demokratische Partei (SDS) hat 29 Abgeordnete, die christdemokratische Partei Neues Slowenien (NSi) neun, die SLS sieben und DeSUS vier. Nach der slowenischen Verfassung kann ein Regierungschef nur gestürzt werden, wenn zuvor ein Nachfolger für ihn gewählt wird ("konstruktives Misstrauensvotum"). Bei einem Zerfall der Regierungskoalition wäre Borut Pahor als Chef der größten Oppositionspartei, der Sozialdemokraten (SD), erster Anwärter auf den Posten des Regierungschefs.

Beobachter schließen aber nicht aus, dass die Rücktrittsdrohung des Premiers eigentlich darauf abzielt, die Sozialdemokraten zum Eintritt in eine "Regierung der nationalen Einheit" zu bewegen. Damit könnte Jansa die seit Monaten in den Umfragen führende Oppositionspartei "neutralisieren" und sich vor der Wahl Luft verschaffen. Die Sozialdemokraten dürften sich einem solchen Angebot mit Blick auf die EU-Ratspräsidentschaft kaum verschließen, hatte Pahor doch bereits anlässlich einer Diskussion über ein konstruktives Misstrauensvotum im Frühsommer betont, er werde sich an Aktivitäten zum Sturz der Regierung wegen des nahenden EU-Ratsvorsitzes nicht beteiligen. (Ag./Red.)

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