Religion: „Viele Christen im Irak sehen keine Zukunft mehr“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Kirchen geschlossen, Priester verhaftet: Immer mehr Betroffene suchen ihr Heil in der Auswanderung.

Salzburg. „Unter Saddam Hussein gab es keine Freiheit, keine Demokratie und extreme Kontrolle. Heute gibt es Freiheit, aber keine Sicherheit.“ So beschreibt der chaldäische Erzbischof von Kirkuk, Louis Sako, die Situation der Christen im Irak. Die Christen seien im Parlament vertreten und stellten zwei Minister. Trotzdem wäre die Lage besonders in Bagdad und Mosul schwierig. Viele Kirchen seien geschlossen und Priester verhaftet worden. „Viele Christen sehen hier keine Zukunft mehr“, berichtete Sako im Rahmen einer wissenschaftlichen Tagung von Pro Oriente über die syrisch-aramäischen Kirchen im Nahen Osten in Salzburg.

Viele Christen hätten das Land verlassen oder seien in die kurdischen Gebiete im Norden geflüchtet. Aber auch dort gebe es keine Zukunft für die christliche Bevölkerung, befürchtet der Erzbischof. Bei all den Konflikten, die es zwischen Schiiten und Sunniten gebe, werde oft völlig vergessen, dass es im Irak auch eine christliche Bevölkerung gebe, meinte Sako. Dabei könnten die christlichen Kirchen auf eine 2000 Jahre alte Tradition in dieser Region zurückblicken.

Von den 26 Millionen Einwohnern im Irak gehören rund 800.000 Menschen einer christlichen Religion an. Die größte Gruppe ist die chaldäische Kirche. Es gibt aber auch syrisch-katholische, syrisch-orthodoxe, armenisch-orthodoxe, armenisch-katholische, griechisch-orthodoxe, lateinische, protestantische und anglikanische Christen.

Autonome Region kein Ausweg

Die Idee, eine autonome christliche Region zu schaffen, hält Sako für den falschen Weg: „Wir wollen nicht, dass die Christen in Ghettos leben. Ghettos haben keine Zukunft.“ Die Christen hätten im Irak vielmehr die Aufgabe, Brücken zwischen den unterschiedlichen Lagern zu bauen. „Deshalb sollten wir hier bleiben und den Dialog führen“, meinte der Erzbischof. Die Christen dürften nicht zu Bürgern zweiter Klasse degradiert werden.

Auf den Dialog zwischen den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften setzen auch der Metropolit von Aleppo in Syrien, Mar Grigorios Ibrahim, und der maronitische Mönch Karam Rizk, der in Kaslik im Libanon ein Institut für Geschichtswissenschaft leitet. Sie berichteten bei der Diskussion in Salzburg über die Situation der christlichen Kirchen in Syrien und im Libanon.

Zwischen Muslimen und Christen habe sich in Syrien eine „Kultur der Koexistenz“ entwickelt, meinte Ibrahim. Es gebe einen Dialog auf theologischer Ebene. Wenn junge Christen und Muslime an einem Ort zusammenleben, dann sei das ein Vorbild und trage zur Verständigung bei, ist Rizk überzeugt. Der Dialog im Alltag sei extrem wichtig, um Konflikte langfristig zu überwinden, betonte der maronitische Mönch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2007)

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