Das „Wunder“ von Tschetschenien: 99 Prozent für Wladimir Putin

Russlands Opposition spricht von „Betrug“ und will den Urnengang anfechten.

MOSKAU (ag., red.). Es war Wladimir Putin, der im Jahr 1999 wieder Panzer nach Tschetschenien geschickt und die Kaukasusrepublik mit einem besonders grausamen Krieg überzogen hatte. Doch trotz aller Zerstörungen und Gräueltaten scheinen die Tschetschenen den russischen Präsidenten zu lieben. Das suggeriert zumindest das Ergebnis der Parlamentswahlen vom Sonntag: 99 Prozent der Tschetschenen stimmten demnach für Putins Liste „Einheitliches Russland“. Und auch die Wahlbeteiligung lag ganz im alten Sowjet-Stil bei 99 Prozent.

Ramzan Kadyrow, der die Kaukasusrepublik für Putin mit eiserner Faust regiert, hatte sich schon nach seiner Stimmabgabe siegesgewiss gezeigt und vor laufenden Kameras tschetschenische Volkstanzeinlagen zum Besten gegeben.

Bei den Kommunisten, der einzigen Oppositionspartei im neuen Parlament, hielt sich die Feierlaune hingegen in Grenzen. „Das war die unverantwortlichste und schmutzigste Wahl seit dem Ende der Sowjetunion“, schimpfte KP-Chef Gennadij Sjuganow. Er kündigte an, den Urnengang anzufechten. Mit 11,6 Prozent der Stimmen stehen die Kommunisten in der Duma nun einem gewaltigen Kreml-Block gegenüber: Putins Liste erhielt 64,1 Prozent. Dazu kommen zwei weitere Kreml-hörige Parteien: Die Liberaldemokraten des Rechtspopulisten Wladimir Schirinowskij, die 8,2 Prozent der Stimmen erhielten; und die Partei „Gerechtes Russland“ mit 7,8 Prozent.

Kasparow kündigt Proteste an

Golos, die einzige unabhängige russische Wahlbeobachtergruppe, gab bekannt, bisher 3500 Anrufe erhalten zu haben, in denen Beschwerden über den Verlauf der Wahlen vorgebracht worden seien. „Und wir wissen, dass das nur ein Tropfen im Ozean ist“, sagte der Vizechef von Golos, Gregori Melkonjants. Auch Oppositionspolitiker Garri Kasparow bezeichnete die Parlamentswahl als „schmutzigsten Urnengang in der jüngeren Geschichte“. Niemand könne daran zweifeln, dass das Ergebnis nur durch Betrug zustande gekommen sei, sagte der frühere Schachweltmeister, der wenige Tage vor der Wahl verhaftet worden war. Sein Bündnis „Anderes Russland“ war erst gar nicht zur Abstimmung zugelassen worden. Noch für Montag kündigte die Oppositionspartei Demonstrationen in Russland und St. Petersburg an.

Putin wurde am Montag freilich nicht müde, seinen Wahlerfolg als Erfolg für Russland zu verkaufen. Die Wähler hätten ihr Land nicht auf den selben zerstörerischen Weg gebracht, den andere einstige Sowjetländer einschlugen, meinte der Präsident. „Die Legitimität des russischen Parlaments ist nach diesem Urnengang zweifellos gewachsen.“

Putins Wirtschaftspolitik, Seite 27

Leitartikel von Burkhard Bischof, S. 39

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2007)

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