Kroatien: Fischereizone mit unabsehbaren Folgen

AP (Heribert Pröpper)
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Die einseitig erklärte Fischerei-Schutzzone in der Adria könnte Kroatiens Beitritt zur EU verzögern.

BELGRAD/ZAGREB (ro). Zumindest an Deutlichkeit ließ die keineswegs frohe Neujahrs-Botschaft aus dem fernen Brüssel für den EU-Beitrittskandidaten Kroatien nichts zu wünschen übrig: Die Weigerung, eigene Fischereizonen für alle Mitgliedstaaten zu öffnen, könne zu „Konsequenzen“ führen, warnte Erweiterungskommissar Olli Rehn den EU-Anwärter. Nur mit einer raschen Lösung der Frage könnten „negative Folgen auf den Beitrittsprozess“ vermieden werden, appellierte er an Zagreb, von der zu Jahresbeginn angekündigte Einführung einer neuen Adria-Schutzzone doch noch abzusehen.

Die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien könnten 2008 in eine „entscheidende Phase“ treten: „Wir vertrauen darauf, dass sich Kroatien entsprechend verhält.“ Doch der drängende Appell blieb genauso ohne Widerhall wie die heftigen Proteste der Adria-Anrainerstaaten Italien und Slowenien.

Zu Jahresbeginn hat Zagreb die bereits 2004 angekündigte Fischereizone vor Kroatiens Küste offiziell in Kraft gesetzt. Die Einführung der 57.000 Quadratkilometer großen Zone begründet Kroatien mit Überfischung. Auf 300 Millionen Euro beziffert Zagreb den jährlichen Verlust vor allem durch italienische Fänge: So übersteige der italienische Fang in kroatischen Gewässern mit jährlich 200.000 Tonnen den der heimischen Fischer um das Zehnfache. Mit Schutzmaßnahmen gegen Mitgliedstaaten finden EU-Anwärter in Brüssel jedoch selten Freunde.

Premier Ivo Sanader ist zur Beschleunigung der sehr schleppend verlaufenden Beitrittsverhandlungen zwar am Wohlwollen der EU-Kommission gelegen. Gleichzeitig steht er innenpolitisch zur Einhaltung des Wahlversprechens der Realisierung der Fischereizone gehörig unter Druck. Kurz vor Abschluss schwieriger Koalitionsverhandlungen ist seine konservative HDZ für eine Regierungsmehrheit zudem dringend auf die Stimmen der Bauernpartei HSS angewiesen. Die HSS war und ist als Lobby-Partei die Triebfeder hinter der Einführung der Schutzzone. Premier Sanader bemüht sich, Hoffnung auf einen Kompromiss nach seiner Amtsverlängerung zu verbreiten: Die neue Regierung werde einen Weg finden, „dass alle Seiten zufrieden sein können“.

„Illegale“ Italiener aufgegriffen

Nach Meinung der slowenischen Zeitung „Dnevnik“ beschert die Verwirklichung der Zone dem gewieften Taktiker Sanader einen „doppelten Erfolg“. Zum einen geht es um stimmenträchtige Wahlkampfmunition. Zum anderen könne er sich nach seiner neuerlichen Vereidigung mit einem kleinen Rückzieher als Mann des Kompromisses profilieren.

Die nun eingeführte Zone hält das Blatt ohnehin nur für einen „Papiertiger“: „Kroatien hat gar nicht die Mittel, sie zu überwachen.“ Doch vorigen Donnerstag brachte ein kroatisches Kriegsschiff bereits den ersten italienischen Trawler im eigenen Hoheitsgewässer auf. Wegen „illegaler Fischerei“ soll die Besatzung des Kutters nun vor Gericht zur Rechenschaft gezogen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2008)

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