Straßenkämpfer und Diplomat: Der biegsame Herr Rogosin

Die Presse (Fabry)
  • Drucken

Nationalistischer Rechtsaußen ist neuer Botschafter bei der Nato.

MOSKAU. Ein Nationalist, Dmitrij Rogosin, ist Russlands neuer Botschafter bei der Nato in Brüssel. Rogosins Ernennung fällt in eine Zeit, da die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen angespannt sind.

Der 44-Jährige gilt als populistischer Hardliner, aber auch als intelligenter Pragmatiker mit Verhandlungsgeschick. Seit 1991 arbeiten Moskau und Brüssel in Fragen der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik im sogenannten Nato-Russland-Rat zusammen. Seit 1997 ist dieses Gremium eine feste Instanz. Angesichts der Aufkündigung von Abrüstungsverträgen durch Russland und des Versuchs der USA, in Osteuropa einen Raketenabwehrschirm zu installieren, haben sich beide Seiten jedoch immer weniger zu sagen.

Ein Hungerstreik hätte fast das Ende der politischen Karriere des Dmitrij Olegowitsch Rogosin bedeutet. 2005 verweigerte der wohlgenährte Rechtsaußen die Nahrungsaufnahme – aus Solidarität mit Rentnern, denen staatliche Vergünstigungen gestrichen werden sollten. Damit unterstützte Rogosin, der an der Moskauer Lomonossow-Universität Journalistik studierte und einen Doktortitel in Philosophie hat, eine Protestbewegung, die Präsident Putin gefährlich zu werden schien. „Wir hatten immer ein vertrautes Verhältnis. Er hat mir wegen des Hungerstreiks jedoch etwas ins Ohr geflüstert, das ich für mein Leben nicht vergesse“, sagte Rogosin im Rückblick. Es müssen deutliche Worte gewesen sein.

Jedenfalls wurde durch die Aktion die rasant anmutende Karriere eines begabten Innenpolitikers gestoppt. Rogosin, der unter gütiger Mithilfe des Kreml die nationalistische Partei „Rodina“ 2003 mit 9,2 Prozent in die Duma geführt hatte und es bis zum Vizepräsidenten des Parlaments schaffte, musste 2006 den Parteivorsitz abgeben. „Rodina“ durfte 2007 nicht mehr an den Parlamentswahlen teilnehmen. Auch konnte Rogosin seine „Patrioten Russlands“ nicht zu den Wahlen registrieren lassen.

Stimmungsmache gegen Ausländer

Zuletzt musste sich der politische Ziehsohn des 2002 verstorbenen Haudegen-Generals Alexander Lebed als Organisator von Straßenkundgebungen von Rechtsradikalen, den „Russischen Märschen“, durchschlagen. Die machten mit ihren vom Kreml geduldeten Aufmärschen gegen Ausländer Stimmung. Rogosin ist biegsam genug für den Spagat vom Straßenkämpfer zum Salonpolitiker. Putin setzte ihn schon einmal für außenpolitische Aufgaben ein. Rogosin führte von 2000 bis 2003 als Unterhändler die Verhandlungen mit der EU über den Transit für russische Staatsbürger von und in die Exklave Kaliningrad. Mit dem Ergebnis können heute beide Seiten gut leben.

Großes Entgegenkommen sollte sich die Nato von Rogosin nicht erwarten. Er hält die atomare Aufrüstung Russlands für notwendig, wettert gegen Versuche, in Polen und Tschechien Raketenabwehrsysteme zu installieren sowie gegen die Osterweiterung der Nato.

Putin und auch sein designierter Nachfolger Dmitrij Medwedjew (Rogosin: „Man findet kaum zwei Menschen, die sich psychologisch näher stehen“) wissen, dass es bisher trotz aller Probleme keine Alternative zu Konsultationen mit den Nato-Staaten gibt. Das sieht auch Moskaus neuer Mann in Brüssel so: „Wir müssen uns die Möglichkeit bewahren, in Kontakt zu bleiben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.