Die Privatisierung des Kriegs und der Spionage

AP (Gervasio Sanchez)
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Immer mehr Soldaten, Wachdienstleute und sogar Agenten haben private Auftraggeber.

WILDBAD KREUTH. Von der Öffentlichkeit wenig beachtet ist in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten ein Prozess in Gang gekommen, dessen Ende noch lange nicht absehbar ist: die Privatisierung von Sicherheitsaufgaben, die früher fast ausschließlich vom Staat wahrgenommen worden waren. Söldner hat es zwar immer schon gegeben, doch heutige private Militärfirmen weisen jegliche Vergleiche mit dem Söldnerwesen von einst weit von sich. Private Sicherheitsdienstleister sind schon seit längerem aktiv, während private Nachrichtendienste noch ein ziemlich junges Phänomen sind.

Die Akademie für Politik und Zeitgeschichte der bayerischen Hanns-Seidel-Stiftung versuchte bei einer mehrtägigen Fachtagung in Wildbad Kreuth das Phänomen der privaten Militär- und Sicherheitdienstleister zu beleuchten. Dabei wurde klar: In den USA und in Großbritannien sind private Militärfirmen ebenso wie private Sicherheits- und Nachrichtendienste längst akzeptierter Teil des Sicherheitssektors, während man sich in kontinentaleuropäischen Ländern mit privatisierter Sicherheit erst anzufreunden beginnt.

Das gilt nicht für private Sicherheitsdienste. Wie der frühere Präsident des deutschen Verfassungsschutzamtes, Peter Frisch, ausführte, sind etwa in der Bundesrepublik bereits 3280 solcher Unternehmen aktiv, die vier Milliarden Euro Umsatz machen. Ihr Aufgabengebiete: Personen- und Objektschutz, Geldtransporte, Fluggastkontrollen, Mithilfe beim Justizvollzug. Vor allem der Zwang zur Kosteneinsparung hat den Staat dazu gebracht, Sicherheitsaufgaben an Private zu übertragen – „Outsourcing“ heißt der hässliche Anglizismus.

Private Militärfirmen waren bereits aktiv, als von „Auslagerung“ staatlicher Sicherheitsaufgaben noch nirgendwo die Rede war. Südafrikanische und britische Unternehmen organisierten seit den Sechzigerjahren Umstürze in afrikanischen Ländern und unterstützten sie militärisch.

Amoklauf in Bagdad

In den USA gibt es heute eine Vielzahl privater Militärfirmen. Seit 1994 wurden diese Firmen verstärkt zur Unterstützung staatlicher Militäroperationen herangezogen. Allein das Pentagon hat in den vergangenen Jahren über 3600 Verträge mit zwölf großen privaten Militärunternehmen geschlossen und gab und gibt dabei 300 Milliarden US-Dollar aus. Doch seit Mitarbeiter der Firma Blackwater bei einem umstrittenen Einsatz in Bagdad am 16. September 17 Zivilisten töteten, betrachtet man auch in den USA das Wirken der Privatmilitärs mit wachsender Skepsis. 182.000 Mitarbeiter sollen private Militärfirmen derzeit im Irak beschäftigt haben, im Vergleich zu den 175.000 US-Soldaten, die dort zuletzt im Einsatz standen. Aber warum ist es überhaupt zu diesem massiven Einsatz von Privaten gekommen?

Weil, berichtete Roger Pajak, Berater des Rüstungskonzerns General Dynamics, das US-Militär nach der Eroberung des Irak 2003 in einer zunehmend feindseliger werdenden Umwelt bald überfordert war: „Die Soldaten konnten nicht gleichzeitig Aufständische bekämpfen und Diplomaten schützen.“ Also wurden immer mehr private Militärfirmen zum Personen- und Objektschutz, zur Bewachung von Nachschubkonvois und wichtiger Infrastruktureinrichtungen und zur Ausbildung von irakischem Sicherheitspersonal herangezogen. Stirnrunzeln verursachte freilich, dass Mitarbeiter solcher Unternehmen auch zur Befragung von Gefangenen eingesetzt wurden.

Juristische Grauzone

Mit dem Einsatz der Privatmilitärs wird staatlicherseits zwar der eigene Handlungsspielraum erweitert, aber auch Risiko und Verantwortung abgewälzt. Während über jeden einzelnen getöteten und verletzten Soldaten im Irak penibel Buch geführt wird, interessieren die Ausfälle der privaten Militärfirmen kaum. Aber auch sie haben bereits über 1000 Tote und über 12.000 Verwundete zu beklagen.

Immerhin, seit dem Blackwater-Amoklauf im September gibt es in den USA verstärkt Anstrengungen, die Privatmilitärs aus der juristischen Grauzone, in der sie operieren, herauszuholen und der Militärgesetzgebung zu unterstellen.

Noch wenig bekannt ist bisher über das Wirken privater Nachrichtendienste. Wie der Politikwissenschaftler Peter Harbich von der Uni Köln ausführte, sind es nicht Defizite oder Schwächen staatlicher Geheimdienste, die private Nachrichtendienste entstehen haben lassen, sondern es ist die wachsende Nachfrage aus dem Privatsektor. Zu 95 Prozent kommen die Aufträge aus der Privatwirtschaft bestätigte der Brite Sam Pope, der selbst einen privaten Nachrichtendienst führt. Er ist überzeugt, dass der private Nachrichtendienstsektor ein enormes Wachstumspotenzial hat, wobei die Aufträge verstärkt auch aus dem staatlichen Geheimdienstsektor kommen würden.

AUF EINEN BLICK

Private Militärfirmen haben im Irak derzeit 182.000 Mitarbeiter unter Vertrag. Es sind vor allem amerikanische (Blackwater, Triple Canopy, Dyncorp, Kellog, Brown & Root) sowie britische Firmen (Aegis Defence Services).

Von den 182.000 Mitarbeitern sind 118.000 Irakis, 43.000 stammen aus Drittstaaten und 21.000 sind US-Bürger. Etwa die Hälfte der „Privaten“ ist bewaffnet.

Bisherige Verluste: 1073 Tote (davon 250 Amerikaner); 12.000 Verletzte (bis zu 600 US-Bürger).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2008)

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