Serbisches Fernsehen: Pflicht zu "landesweitem Zorn"

(c) AP (Srdjan Ilic)
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Die serbische Regierung unterstützt heute Massenproteste gegen die Unabhängigkeit des Kosovo. Der staatliche TV-Sender RTS berichtet von der Pflicht, patriotisch zu sein.

Mit einem von der Regierung unterstützten Massenprotest soll in Serbien am Donnerstag gegen die Unabhängigkeit des Kosovo demonstriert werden. Züge bringen die Bürger aus allen Landesteilen kostenlos in die Hauptstadt Belgrad. Schulkinder haben unterrichtsfrei, damit das "Lehrpersonal an der Kundgebung in Belgrad" teilnehmen kann. Beginnen soll der Protest am späten Nachmittag (17.00 Uhr MEZ). Der staatliche Fernsehsender RTS berichtete, alle Medien hätten die Pflicht, patriotisch zu sein und den "landesweiten Zorn" auszudrücken.

Die bisher serbische Provinz Kosovo hatte sich am Sonntag einseitig für unabhängig erklärt. Die Regierung in Belgrad und ihr mächtiger Verbündeter Russland lehnen dies - wie auch mehrere andere Staaten - ab. Sie sehen in der Abspaltung ein Verstoß gegen das Völkerrecht.

Nationale Stimmen mehren sich

Vor der Belgrader Großkundgebung gegen die Unabhängigkeit des Kosovo mehren sich indes nationalistische Stimmen in Serbien. Der Vorsitzende der Partei "Neues Serbien", der für seinen Populismus bekannte Infrastrukturminister Velimir Ilic, übte am Mittwoch auch Kritik an Staatschef Boris Tadic und seiner Rede bei der Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates am Montag. Tadic hatte den Standpunkt wiederholt, dass Belgrad den Kosovo nie anerkennen werde, schloss aber jegliche Gewalt aus.

Tadic hätte den Groll der Serben viel energischer vermitteln müssen, kritisierte Ilic. Ebenso wie der Ultranationalist Tomislav Nikolic nahm auch Ilic die Demonstranten in Schutz, die bei Ausschreitungen in Belgrad mehrere Botschaften mit Steinen bewarfen und zahlreiche Geschäfte demolierten. Im Vergleich zu der Wegnahme von 15 Prozent des serbischen Gebietes (gemeint ist der Kosovo) seien zerbrochene Fensterscheiben nur eine Kleinigkeit, sagte Ilic. Er setzte sich auch für eine größere Polizei- und Militärkonzentration im Süden Serbiens ein. Dadurch würden sich die Kosovo-Serben sicherer fühlen.

"Kosovo ist Serbien"

Premier Vojislav Kostunica bestätigte, dass er am Donnerstag im Namen der Staatsinstitutionen als Redner bei der Großkundgebung unter dem Motto "Kosovo ist Serbien", zu der rund 200.000 Menschen erwartet werden, auftreten wird. Präsident Tadic, der sich zuvor dem Auftritt von Parteichefs bei den Protesten widersetzte, wird am Donnerstag zu einem Besuch nach Rumänien reisen.

Ihre Teilnahme an der Kundgebung kündigten auch die Serbische Radikale Partei (SRS) des Haager Angeklagten Vojislav Seselj und die Sozialistische Partei (SPS) an, deren ehemaliger Chef der einstige jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic war.

Ob die Demokratische Partei von Tadic und die Expertenpartei G17-plus an der Kundgebung teilnehmen werden, war am Mittwochabend ungewiss. Gegen die Kundgebung sprachen sich öffentlich nur die kleineren Oppositionsparteien, die Liberaldemokratische Partei (LDP) und die Liga der Vojvodina-Sozialdemokraten, aus.

Schwere Zeiten für Andersdenkende

Eine Studentenorganisation musste angesichts der Befürchtungen, dass es zu Auseinandersetzungen mit Andersdenkenden kommen könnte, auf die zuvor geplante Kundgebung in Belgrad unter dem Motto "Europa hat keine Alternative" verzichten.

Stattdessen wurde eine Podiumsdiskussion veranstaltet, zu der auch Vertreter mehrerer nationalistischer Organisationen erschienen, um den Diskussionsteilnehmern mit Strafanzeigen zu drohen. Das Eintreten für eine weitere EU-Annäherung Serbiens stellt laut Nenad Vukicevic, einem Vertreter der bisher kaum in Erscheinung getretenen Organisation "Serbischen Nationalisten", einen Verstoß gegen die Verfassungsordnung dar. (Ag.)

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