Serbien: Die Spur der Unruhen führt zu Kostunica

(c) Reuters (Damir Sagolj)
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Der Kabinettschef des Serben-Premiers leitete den missglückten Polizeieinsatz bei den Krawallen, bei denen acht Botschaften verwüstet und mehr als 90 Geschäfte geplündert wurden.

Belgrad. Zumindest des Lobs ihrer politischen Schutzherren können sich Serbiens Gesetzeshüter sicher sein. „Rechtzeitig und gesetzesgemäß“ habe die Polizei vergangenen Donnerstag bei den Krawallen in Belgrad am Rande einer Massendemo gegen die Unabhängigkeit des Kosovo reagiert, honorierte Andreja Mladenovic, Sprecher der nationalkonservativen Regierungspartei DSS, mit fast einwöchiger Verspätung den Einsatz.

Doch die erstaunlich laxen Sicherheitsvorkehrungen und das späte Anrücken der Polizei mehren die Spekulationen, dass die Krawalle inszeniert waren. „Die Unruhen waren Teil eines geheimen Aktionsplans zur Verteidigung des Kosovo“, ist der frühere Premier Zoran Zivkovic überzeugt.

Schon unmittelbar nach den Krawallen, bei denen acht Botschaften verwüstet und mehr als 90 Geschäfte geplündert wurden, hatte US-Außenministerin Condoleezza Rice Serbiens Regierung direkt für die Attacken auf die US-Botschaft verantwortlich gemacht. Erst sei die Polizei nicht ausreichend präsent gewesen, dann habe sie die Hooligans zunächst ungestört die Botschaft stürmen und ausbrennen lassen.

Führte der Geheimdienst Regie?

Die liberaldemokratische Oppositionspartei LDP, deren Büros landesweit verwüstet wurden, zeigte nun Video-Aufnahmen: Zu sehen ist ein Zivilpolizist vor der US-Botschaft, der unmittelbar vor Ausbruch des Brandes seine Vorgesetzten per Handy informierte. Dennoch habe die Polizei den Mob „eine volle Stunde wüten“ lassen. Serbiens Boulevard-Presse berichtet zudem, dass einige der 192 verhafteten Randalierer nicht nur „über interessante Biografien und Kontakte“, sondern auch über Stadtpläne mit eingezeichneten Botschaftsgebäuden verfügten: Offenbar hätten die Geheimdienste bei den Krawallen Regie geführt.

Die Suche nach den Verantwortlichen führt nach Recherchen der liberalen Zeitung „Blic“ direkt in das Kabinett von Premier Vojislav Kostunica. Seit Innenminister Dragan Jocic Ende Jänner einen Autounfall erlitt, habe Kostunica mit seinem Kabinettschef Aleksander Nikitovic die „informelle, aber faktische Kontrolle“ über die Polizei übernommen, berichtete das Blatt am Dienstag. In der Nacht der Unruhen sei die Polizei von Nikitovic befehligt worden, zitiert die Zeitung einen anonymen Gewährsmann: Abgestimmt habe er sich dabei mit dem Premier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2008)

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