Tote und Verletzte: Lage in Tibet spitzt sich zu

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In Tibet stehen die Zeichen auf Eskalation: Den Protestierenden wurde ein Ultimatum gestellt. Die Demonstrationen haben sich über die Stadt Lhasa hinaus ausgebreitet.

Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen chinesischen Sicherheitskräften und protestierenden Tibetern sind nach Angaben der tibetischen Exilregierung mindestens 30 Menschen ums Leben gekommen. "Wir haben 30 bestätigte Opfer", sagte ein Sprecher der Exilregierung am Samstag in Nordindien. "Diese Information basiert auf Telefonanrufen von Tibetern nach draußen." Berichte von mindestens 100 Toten konnten nicht bestätigt werden.

Nach den Ausschreitungen am Freitag wurden in der tibetischen Hauptstadt Lhasa die Sicherheitsvorkehrungen weiter verschärft. Touristen berichteten von zahlreichen patrouillierenden Truppentransportern und Panzern. Ein niederländischer Tourist sagte der Nachrichtenagentur AFP, ihr tibetischer Fremdenführer habe von mindestens zwanzig Toten gesprochen.

China hat den Beteiligten an den Unruhen eine Frist bis Montagnacht gesetzt, sich zu ergeben. Wenn sie sich bis Mitternacht stellten, könnten sie mit Nachsicht rechnen, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Samstag.

Proteste in China und Indien

Die Proteste haben sich auch über Lhasa ausgebreitet. Im Westen Chinas ist die Polizei mit Tränengas gegen Sympathisanten der demonstrierenden Mönche im Tibet vorgegangen. Augenzeugen erklärten, Hunderte Mönche seien am Samstag vom Kloster Labrang in die Ortschaft Xiahe gezogen. Unterwegs hätten sich weitere Menschen dem Marsch angeschlossen. Es wurde Tränengas auf die Menge abgeschossen", sagte Matt Whitticase von der Kampagne Freies Tibet in London. Xiahe liegt in der nordwestlichen chinesischen Provinz Gansu, in der viele tibetischstämmige Menschen leben. In dem Ort griffen die Demonstranten den Angaben zufolge Verwaltungsgebäude an, bevor die Polizei mit Tränengas anrückte.

In Indien haben Exil-Tibeter ebenfalls gegen die chinesische Besetzung Tibets protestiert. In Neu Delhi wurden am Samstag etwa 50 Demonstranten bei dem Versuch festgenommen, die chinesische Botschaft zu stürmen, wie die Polizei mitteilte. Unter den Festgenommenen waren nach Augenzeugenberichten buddhistische Mönche und Frauen. Sie seien in Polizeiwagen weggebracht worden. Bereits am Freitag waren etwa 50 Demonstranten festgenommen worden.

In der nordindischen Stadt Dehra machten sich mehr als vierzig Exil-Tibeter zu einem Marsch nach Tibet auf. Dehra ist etwa 55 Kilometer von Dharamshala entfernt, dem Sitz der Exil-Regierung unter Führung des geistlichen Oberhauptes der Tibeter, dem Dalai Lama. In Indien leben rund 100.000 Exil-Tibeter und Flüchtlinge aus Tibet.

In der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu protestierten unterdessen etwa 200 Tibeter vor dem Büro der Vereinten Nationen. Die Polizei habe rund 20 Demonstranten abgeführt, berichtete ein AFP-Journalist.

China: Olympische Spiele nicht gefährdet

Die Proteste brachen zum 49. Jahrestag des gescheiterten Aufstandes gegen die chinesische Herrschaft in der Himalaya-Region aus. Die Bevölkerung nahm zudem die im Sommer bevorstehenden Olympischen Spiele in Peking zum Anlass, ihren Unmut über die Situation in Tibet zu zeigen.

China sieht die Olympischen Sommerspiele durch die schweren Unruhen in Tibet aber nicht gefährdet. Auch der Fackellauf, bei dem das olympische Feuer auf den Mount Everest getragen werden soll, werde wie geplant stattfinden, sagte ein Sprecher des Organisationskomitees BOCOG, Sun Weide, am Samstag.

Sun sagte der Nachrichtenagentur AP, das Organisationskomitee wende sich gegen jeden Versuch, die Olympischen Spiele für politische Ziele zu instrumentalisieren. Das widerspreche dem Geist der Spiele. "Wir haben enorme Unterstützung von der internationalen Gemeinschaft für die Olympischen Spiele bekommen", sagte er. Die Gastgeberrolle Pekings sei die Erfüllung eines Jahrhunderttraums des chinesischen Volks, "einschließlich unserer Landsleute in Tibet".

Merkel: Gewalt ist keine Lösung

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich besorgt über die Unruhen in Tibet geäußert. "Gewalt - egal von welcher Seite - führt zu keiner Lösung der offenen Fragen", sagte Merkel am Samstag nach Angaben von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

US-Präsident George W. Bush setzt sich für einen Dialog zwischen der chinesischen Führung und dem Dalai Lama ein. Darauf verwies der stellvertretende Sprecher des Weißen Hauses, Tony Fratto, am Freitag in Washington. Das Weiße Haus erwarte von Peking, die Kultur der Tibeter und die Unterschiedlichkeit der Volksgruppen in der chinesischen Gesellschaft zu respektieren.

(Ag.)

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