EU erwägt Zeremonie-Boykott

Immer mehr Spitzenpolitiker fordern kritische Geste bei Olympia-Eröffnung.

WIEN.Die 27 EU-Staaten könnten heute, Freitag, und morgen, Samstag, das erste starke gemeinsame Signal an China senden, nachdem Peking die Demonstrationen von Tibetern gegen die chinesische Herrschaft brutal niedergeschlagen hatte. Bis Samstag tagen die EU-Außenminister im slowenischen Brdo. Hauptthema ihres Treffens wird sein, ob alle oder einzelne EU-Mitglieder als Protest gegen das chinesische Vorgehen der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele im Sommer in Peking fernbleiben werden.

Darüber hinaus gilt unter Diplomaten als fix, dass die Außenminister „zumindest“ eine Aufforderung an China richten werden, die Menschenrechte einzuhalten und den Dialog mit dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter, dem Dalai Lama, zu pflegen. „Das wird die Chinesen besonders giften“, sagt dazu ein EU-Insider.

Plassnik: „Abwägen“

Für Österreich ist Außenministerin Ursula Plassnik beim EU-Rat vertreten. Sie wollte sich im Vorfeld auf Anfrage der „Presse“ noch nicht festlegen, ob sie sich dafür ausspricht, dass Politiker Österreichs oder aller EU-Länder die Olympia-Eröffnungsfeier boykottieren. Man dürfe sich aber „nicht einschüchtern lassen“ von einer „massiven chinesischen Propaganda-Show“, die bei den Spielen stattfinden könnte. Es gelte erst abzuwägen, ob führende europäische Politiker an der feierlichen Eröffnung teilnehmen sollen.

Mehrere EU-Spitzen hatten bereits Bedenken angemeldet, dass dies als Wertschätzung des chinesischen Regimes interpretiert werden könnte. Am deutlichsten äußerte sich Agenturmeldungen zufolge der polnische Premier Donald Tusk, der nicht zur Zeremonie reisen will. Auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, der nächste EU-Präsident ab Juli, überlegt offenbar, den Spielen fernzubleiben, sollte China seine Haltung nicht lockern.

Ob sich die EU-Staaten beim Rat auf einen gemeinsamen Boykott einigen, ist auch deshalb ungewiss, weil es ein informelles Treffen ist. Dabei sind keine Schlussfolgerungen vorgesehen. Darüber hinaus ist die Zeremonie eigentlich eine bilaterale Sache: China hat jeden EU-Staat einzeln eingeladen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2008)

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