Tibet-Krise: In China brennt die Trikolore

(c) EPA (Wu Hong)
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Peking ruft die Bevölkerung dazu auf, den „patriotischen Eifer“ zu zügeln.

PEKING/WIEN (Reuters, b.b.). Der Zorn der Chinesen auf Frankreich, in dessen Hauptstadt Paris der olympische Fackellauf in der Vorwoche massiv gestört worden war, hat sich noch nicht gelegt. In der Stadt Qingdao an der Ostküste haben am Freitag Dutzende Jugendliche vor einem Carrefour-Supermarkt demonstriert, französische Fahnen verbrannt und antifranzösische Parolen skandiert. Seit Tagen wird im Internet zu einem Boykott französischer Waren und Geschäfte aufgerufen.

Die chinesische Führung hat inzwischen mitbekommen, dass die von ihrer Propaganda in der Bevölkerung geschürte Wut auf den Westen wegen des Tibet-Streits zu weit gehen könnte. In einem Kommentar der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua werden die jüngsten Boykottaufrufe zwar als „blanker Ausdruck des patriotischen Eifers und wahrhafte Demonstration der öffentlichen Meinung“ verteidigt. Zugleich gibt es die Mahnung, den Bogen nicht zu überspannen: „Der patriotische Eifer muss in vernünftige Bahnen gelenkt und dazu benutzt werden, die eigene Arbeit gut zu verrichten.“ Die Politik der Regierung in den vergangenen 30 Jahren, sich für ausländisches Know-how und ausländische Investitionen zu öffnen, dürfe nicht gefährdet werden.

Am Freitag wies das chinesische Bildungsministerium den Bericht der deutschen Nachrichtenagentur DPA, wonach alle ausländischen Studenten im Juli und August China verlassen müssten, als „völlig falsch und unwahr“ zurück. Die Behörden und Universitäten hätten die Studenten „niemals aufgefordert“, während der Sommerspiele auszureisen.

„Beugen uns keinem Druck“

Am Donnerstagabend beschwerte sich der neue chinesische Botschafter in Wien, Ken Wu, in einem Vortrag in der Diplomatischen Akademie in Wien erneut über die „Politisierung der Olympischen Spiele“ und das „Schüren des Misstrauens“ gegen China. „Wir begrüßen zwar gutwillige Kritik und Ratschläge, aber Druck werden wir uns niemals beugen“, sagte der Botschafter.

Seiner Einschätzung nach macht Tibet gerade die „beste Entwicklung seiner gesamten Geschichte“ durch. Umso mehr versuche die „Dalai-Clique“, Unruhe unter den Tibetern zu schüren und die Spiele in Peking für ihre „Abspaltungsaktivitäten“ auszunützen. Wu behauptete, dass exiltibetische Aktivisten im vergangenen Jahr bei Konferenzen in Brüssel und in Indien Aktionspläne für Proteste ausgearbeitet hätten, um die Olympischen Spiele in Peking zu stören und die Volksrepublik China zu diskreditieren.

Dieser Behauptung widersprach der im Publikum anwesende Exil-Tibeter Lobsang Gyalpo vehement. Er sei bei der Konferenz in Brüssel selbst Teilnehmer gewesen. Dort sei nie ein Aktionsplan gegen die Olympischen Spiele diskutiert worden.
Interview mit Kelsang Gyaltsen, Seite 41

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2008)

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