Merkel in Washington: NSA-Spionage schwächt Westallianz

Ob Obamas Küsschen Merkels Unmut über die US-Bespitzelung besänftigt? Im Hintergrund lugt Vize Joe Biden herein.
Ob Obamas Küsschen Merkels Unmut über die US-Bespitzelung besänftigt? Im Hintergrund lugt Vize Joe Biden herein. REUTERS
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Ukraine, Geheimdienstaffäre, Handelsabkommen: Gegenseitiges Misstrauen und innenpolitische Blockaden lähmen die deutsch-amerikanische Achse.

Washington. Sanktionen gegen russische Wirtschaftszweige, falls Moskau weiterhin die ukrainischen Wahlen am 25. Mai sabotiert, aber kein Eingreifen in der Ukraine: Barack Obama und Angela Merkel waren sich am Freitag zumindest darin einig, es bei Drohungen gegenüber Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu belassen. „Russland hat die Wahl. Wir bevorzugen eine diplomatische Lösung", sagte der amerikanische Präsident nach seinem Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin. „Es liegt an den Russen", pflichtete Merkel ihm bei.

Schon bei ihrer Landung in Amerikas Hauptstadt war der Bundeskanzlerin eine unfreundliche Botschaft entgegengeschallt: Die fehlende weltpolitische Führungsstärke in Berlin sei „peinlich", donnerte der republikanische Senator und mehrfach gescheiterte US-Präsidentschaftskandidat John McCain. Deutschlands Außenpolitik sei von Lobbyisten der Industrie gesteuert, die aus Sorge um den Verlust der Geschäftsbeziehungen ein robusteres Auftreten gegenüber Putin verhindere: „Wir könnten sie genauso gut in der Regierung sitzen haben. Es ist eine Schande."

NSA: Abfuhr für Merkel

McCain, mag sich zwar im Ton vergriffen haben. Die Grundzüge der Einstellung vieler amerikanischer Außen- und Sicherheitspolitiker gegenüber Merkels Deutschland legte er aber klar offen. Tenor der Kritik: Die Deutschen seien einzig an der Mehrung ihres Wohlstandes interessiert. Außenpolitik verstünden sie bloß als Mittel zur Exportförderung. Und vor die Wahl zwischen gedeihlichen kaufmännischen Beziehungen mit Putins Russland oder der verarmten, aber nach westlicher Freiheit strebenden Ukraine gestellt setze Berlin auf Profite statt Prinzipien.

Umgekehrt ist Merkels Verbitterung über ihren Bündnispartner Obama nicht kleiner. Ein Jahr nach dem Auffliegen der Spionageaffäre rund um die National Security Agency (NSA) haben Obamas Einflüsterer im Weißen Haus noch immer nicht kapiert, welch großen Schaden dies für die Beziehungen mit Deutschland bedeutet.

Wenig verwunderlich also, dass Obama den Wunsch der deutschen Regierung nach dem Respekt für das Grundgesetz von 1949 - verfassungsrechtlicher Ausfluss der amerikanischen Anstrengungen, das besiegte Nazi-Deutschland wieder zu einer achtbaren Nation zu machen- abtat. „Es hat nie ein Angebot für ein No-Spy-Abkommen gegeben", sagte er. Merkel musste das zähneknirschend zur Kenntnis nehmen. Es gebe bezüglich der NSA „Meinungsunterschiede", die USA seien zumindest zu weiteren Gespräche bereit.

Gewiss wohnt dem Streit um die NSA und das Abhören und Mitlesen von Angela Merkels Handy-Telefonaten und Kurzmitteilungen viel Scheinheiligkeit inne; die deutschen Geheimdienste profitieren von den Ermittlungsergebnissen, welche die USA mit ihnen teilen.

Zahme Verpackungskünstler

Doch grundlegend unterschiedliche Sichtweisen trennen Deutsche und Amerikaner auch bei den beiden anderen Themen, die Merkel und Obama zu besprechen haben. Während laut neuer Gallup-Umfrage 68 Prozent der Amerikaner Russland als feindselig empfinden - so viele wie noch nie seit Ende des Kalten Krieges - und sich verschärfte Sanktionen wünschen, lehnen 77 Prozent der Deutschen laut Politbarometer des Fernsehsenders ZDF eine Verstärkung der Nato-Truppen an Russlands Westgrenze ab.

Beim Handelsabkommen TTIP wiederum bringen Obama und Merkel angesichts innenpolitischen Widerstandes von links wenig weiter, doch die Kritik der Gegner ist ungleich. Der linke Flügel der Demokraten hat mit TTIP an sich kein Problem, wirft es aber in einen Topf mit einem transpazifischen Handelsvertrag, durch den er asiatische Billigkonkurrenz fürchtet. Die deutschen Gegner lehnen TTIP als Werkzeug zur Mehrung der Macht der Großkonzerne - allen voran der verhassten amerikanischen - justament ab.

Somit eint Merkel und Obama derzeit nur eines: das zögerliche Verpacken harter Probleme in stets neue Phrasen, ohne den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2014)

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