"Als wäre Köln eine türkische Provinz"

Turkey's Prime Minister Tayyip Erdogan addresses members of parliament from his ruling AK Party during a meeting in Ankara
Turkey's Prime Minister Tayyip Erdogan addresses members of parliament from his ruling AK Party during a meeting in AnkaraREUTERS
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Erdogan wirbt wieder einmal um Auslandstürken. Zigtausende Gegner des türkischen Premiers könnten den umstrittenen Auftritt in Köln stören.

Wenn der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Samstag zu seinem umstrittenen Auftritt nach Deutschland kommt, erwarten ihn auch massive Proteste. Die Alevitische Gemeinde Deutschland rechnet mit mehr als 30.000 Teilnehmern aus mehreren europäischen Ländern bei ihrer Gegenkundgebung, wie Sprecher Yilmaz Kahraman am Dienstag sagte.

"Es werden definitiv mehr als 30.000 Menschen kommen, aus Holland, Frankreich, Österreich, der Schweiz, um friedlich zu demonstrieren." Erdogans Redeauftritt in der Lanxess-Arena in Köln am Samstagnachmittag wird nach Einschätzung des gastgebenden Veranstalters - der Union Europäisch-Türkischer Demokraten/UETD - voraussichtlich 30.000 Besucher an den Rhein locken. Die Polizei will eine Konfrontation von Anhängern und Gegnern Erdogans verhindern, betonte ein Sprecher.

"Nicht willkommen"

Zugleich äußerten weitere deutsche Politiker Kritik an Erdogan und seinem Besuch. Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", es sei "bizarr", dass Erdogan Wahlkampf mache, "als wäre Köln eine türkische Provinz." Autoritäre Politiker im Wahlkampf seien "nicht willkommen", betonte Lindner. Eine "Gesprächspause" bei den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sei nun geboten. Auch der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach forderte in der "Passauer Neuen Presse", die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen oder auszusetzen.

Schon zuvor hatten viele Politiker angesichts des schweren Grubenunglücks in der Türkei mit mehr als 300 Toten eine Absage des Erdogan-Auftritts verlangt. Die deutsche Bundesregierung hatte Erdogan zur Zurückhaltung aufgerufen und "ein sensibles, ein verantwortungsbewusstes Auftreten" gefordert.

Der türkische Regierungschef will am Samstag offiziell zum zehnjährigen Bestehen der UETD reden. Der UETD-Vorsitzende Süleyman Celik sagte im ARD-"Morgenmagazin": "Ich sehe wirklich keinen Grund, warum wir unsere Veranstaltung verschieben sollen." Die türkische Regierung habe nach dem Unglück alles Notwendige getan und kümmere sich um die Aufklärung. Erdogan werde in Köln keinen Wahlkampf für die Präsidentenwahl am 10. August machen. Man habe das Programm wegen des Grubenunglücks geändert und einem Sänger abgesagt.

Die Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz vor. Am Mittag ist ein Marsch durch die Innenstadt geplant, danach eine zentrale Kundgebung in Dom-Nähe. Ein direktes Aufeinandertreffen von Anhängern und Gegnern Erdogans soll verhindert werden.

Kritiker gehen davon aus, dass Erdogan türkischer Präsident werden und in der nordrhein-westfälischen Stadt um Stimmen werben will. An der Präsidentenwahl dürfen erstmals auch die im Ausland lebenden Türken teilnehmen. Nach Angaben von Gökay Sufuoglu, dem Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland, leben in Deutschland knapp 1,8 Millionen wahlberechtigte Türken.

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