Khalifa Haftar, Libyens Anführer gegen die Islamisten, wechselte als CIA-Mann die Seiten.
Wien/Tripolis. Als vor drei Jahren die Rebellion gegen Mummar al-Gaddafi losging, hielt Khalifa Haftar nichts mehr in den beschaulichen Vorstädten Washingtons. Hals über Kopf stürzte sich Gaddafis ehemaliger Armeechef ins Bürgerkriegsgetümmel in Libyen, zum Rachefeldzug gegen den bizarren Diktator. Zwei Jahrzehnte hatte Haftar im Exil in Falls Church und Vienna gelebt, vor den Toren der US-Hauptstadt in Virginia, unweit der CIA-Zentrale in Langley. Dies nährte die Gerüchte, er stehe im Sold des US-Auslandsgeheimdiensts.
Von einem Putsch des früheren Gaddafi-Generals war seit seiner TV-Ansprache im Februar die Rede, als er den islamistischen Milizen in Libyen den Kampf angesagt hatte. Am Wochenende startete Haftars „Nationalarmee“ in Bengasi, dem Ursprung des Aufstands gegen Gaddafi im Frühjahr 2011, nun eine Offensive. Am Sonntagabend stand sie vor dem Parlament in Tripolis, wo die aufständischen Soldaten in eine Sitzung stürmten. Tags darauf lief eine Eliteeinheit der libyschen Armee zu Haftars Truppen über.
Haftar geriert sich als neuer starker Mann. Mit Unterstützung von Armee-Kadern und der „Zintan-Miliz“, die den Sturz Gaddafis angezettelt hat, führt der Ex-General einen Kampf um die Macht in Libyen, das zusehends in die Anarchie kippt. Islamistische Milizen treiben im Land ihr Unwesen, sie degradieren die Interimsregierung mit wechselnden Premiers zur Machtlosigkeit. Nach nur fünf Tagen hatte zuletzt Regierungschef Abdullah al-Thinni, ein Sympathisant der Muslimbruderschaft, seinen Rücktritt erklärt. Regierung und Parlament ist die Kontrolle über den Staat entglitten. An der Grenze hat Tunesien 5000 Soldaten für den Fall einer Eskalation zusammengezogen, und in Sizilien halten sich laut Militärexperten 200 US-Spezialkräfte für einen kurzfristigen Einsatz in Libyen bereit. Für den Westen gilt Haftar als Garant dafür, dass die Islamisten in Tripolis nicht das Ruder übernehmen.
Bis zum Bruch im Tschad-Krieg in den 1980er-Jahren, als der Diktator ihn fallen ließ, hat Haftar seine Karriere an der Seite Gaddafis gemacht. Nach dem Putsch gegen König Idris 1969 stieg der junge Offizier zum Generalstabschef auf, doch nach dem Tschad-Abenteuer geriet er in Gefangenschaft. Angeblich dank Hilfe der CIA kam er nach mehrjähriger Haft 1990 frei, er siedelte sich in den USA an.
Sein erster Anlauf, sich für die Post-Gaddafi-Ära in Stellung zu bringen, schlug 2011 fehl. Haftar war ausersehen, die Streitkräfte aufzubauen. Nach der Ermordung des Ex-Innenministers Abdul Fattah Junis, eines Kontrahenten, tauchte Haftar allerdings unter.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2014)