EU-Wahl in Irland geschlagen: Bürger strafen Regierungsparteien für Sparprogramme ab

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IRELAND EUROPEAN PARLIAMENTARY ELECTIONS�(c) APA/EPA/PAUL McERLANE (PAUL McERLANE)
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Den größten Stimmenanteil errangen ersten Prognosen zufolge die Unabhängigen Kandidaten. Die konservative Fine Gael kam auf 22 Prozent der Stimmen, die mitregierenden Sozialdemokraten gar nur auf sechs Prozent.

Irland konnte den Europäischen Rettungsschirm zwar schon im vergangenen Dezember verlassen – die Nachwehen der Krise aber bekamen die Regierungsparteien bei dieser EU-Wahl allen Anzeichen nach überdeutlich zu spüren. Ersten Prognosen zufolge kam die konservative Fine-Gael-Partei von Premier Enda Kenny auf nur 22 Prozent der Stimmen, die mitregierenden Sozialdemokraten von Labour gar nur auf sechs Prozent. Starke Gewinne verbuchten dagegen die unabhängigen Kandidaten, die mit 27 Prozent den größten Stimmenanteil errangen. Aber auch die linksgerichtete Sinn Féin, einst politischer Arm der Untergrundorganisation IRA, kam mit voraussichtlich 17 Prozent auf das beste Ergebnis ihrer Geschichte.

Dies ist auch damit zu erklären, dass sich die Partei an vorderster Front gegen das restriktive Sparprogramm nach der Banken- und Finanzkrise gestellt hat. Zwei Regierungen in Folge hatten den Menschen in der Republik seit dem Jahr 2010 einen Sparhaushalt nach dem anderen auferlegt, um das marode Bankensystem und den hoch verschuldeten Staatsetat zu sanieren. Steuern wurden erhöht, Gehälter für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst eingefroren, Sozialleistungen gekürzt und Lehrer entlassen. Zwar konnte sich der „keltische Tiger“ inzwischen wieder einigermaßen aufrappeln. Vielen Iren aber geht es noch immer schlecht. Zudem drohen von dem aufgepumpten Bankensektor weitere Schulden in Milliardenhöhe. Sinn-Féin-Parteichef und Ex-IRA-Aktivist Gerry Adams war während des Wahlkampfs im Zuge von Ermittlungen in einem mehr als 40 Jahre zurückliegenden Mordfall festgenommen, später aber freigelassen worden. Adams wertete dies als Wahlkampfmanöver gegen seine in Umfragen starke Partei.

Die Iren waren am späten Freitagabend nach den Niederlanden und Großbritannien der dritte der 28 EU-Mitgliedstaaten, die den Urnengang abschlossen. Am gestrigen Samstag wurde in Tschechien, der Slowakei, Lettland, Malta sowie den Überseegebieten Frankreichs gewählt. In den übrigen 21 EU-Staaten sind die Bürger am heutigen Sonntag dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Offizielle Endergebnisse aus allen Mitgliedstaaten soll es aber erst geben, wenn das letzte Wahllokal um 23Uhr geschlossen hat.

Anlass zur Hoffnung, dass sich die prognostizierten, massiven Zugewinne für EU-kritische Parteien doch nicht in dieser Form bewahrheiten, geben europafreundlichen Kräften besonders die Prognosen aus den Niederlanden. Dort ist die Freiheitspartei des Rechtspopulisten und EU-Feindes Geert Wilders weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben; stattdessen konnte die EU-freundlichste Partei des Landes, die sozialliberale D66, zahlreichen Wählerbefragungen zufolge den Sieg erringen.

„Das wahre Gesicht.“ Aus Großbritannien gibt es bisher zwar keine Prognosen. Bei den Kommunalwahlen, die ebenfalls am Donnerstag stattgefunden hatten, konnte die europafeindliche UK Independence Party (UKIP) aber starke Zugewinne verzeichnen und besonders den regierenden Tories von David Cameron Stimmen streitig machen. UKIP-Parteichef Nigel Farage wünscht sich als neuen Kommissionspräsidenten den sozialdemokratischen Kandidaten Martin Schulz, wie er nach dem Urnengang verlautbarte. „Ich glaube, dass Schulz das wahre Gesicht der Richtung darstellt, in die sich die EU bewegt“, so Farage. Die Ansichten des Deutschen seien so fürchterlich, dass „das britische Volk entsetzt das Weite suchen würde“. ag.

wahlschluss

In Österreich findet die EU-Wahl
am heutigen Sonntag statt.

Die Öffnungszeiten
der Wahllokale sind aber nicht überall gleich: Die weitaus kürzeste Wahlzeit hat Vorarlberg, wo spätestens um 13.00 Wahlschluss ist. Die Wiener und Innsbrucker können bis 17.00 wählen, in allen anderen Landeshauptstädten mit Ausnahme von Bregenz sind die Wahllokale bis 16.00 geöffnet. Weitere Infos unter: www.europawahl.bmi.gv.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2014)

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