Labour-Party: Die Roten auf dem Rückzug

(c) Reuters (David Moir)
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Analyse. Der britischen Labour-Party dämmert der Abschied von der Regierung. Nach dem Debakel bei den Lokalwahlen tendieren die Chancen Labours auf ein Comeback gegen null.

LONDON.Spötter dachten dabei an Simbabwe: Stunde um Stunde verzögerte sich am Wochenende die Bekanntgabe des Resultats der Bürgermeisterwahl in London, obwohl schon Freitag jeder über die Abwahl des autokratischen linken Amtsinhabers Ken Livingstone tuschelte. Als dann endlich der Tory Boris Johnson als Sieger feststand, überschütteten sich die beiden Gegner mit Lob; nur das Knacken in Livingstones Stimme verriet, dass da mehr als eines der wichtigsten Ämter Großbritanniens für die Linke verloren gegangen war.

Elf Jahre, nachdem New Labour an die Macht gekommen war, stehen die Zeichen auf Wechsel: Blairs glückloser Nachfolger Gordon Brown muss sich bis 2010 Neuwahlen stellen. Nach dem Debakel bei den Lokalwahlen (neben dem Verlust des Bürgermeisteramts in London erzielte Labour das mieseste Ergebnis seit Jahrzehnten) tendieren die Chancen Labours auf ein Comeback gegen null. Zwar gab sich Brown am Sonntag kämpferisch: „Ich verstehe die Schmerzen der Wähler“, meinte er, „wir können uns erholen“, und er wolle sich nicht von ein paar „tagelangen Schlagzeilen“ davon abhalten lassen, seinen Job zu tun.

Der Ruf ist ruiniert

Doch dafür ist's wohl zu spät: In kaum einem Jahr als Premier hat der einst gefeierte Schatzkanzler sein Ansehen verspielt. Vor allem wegen des Irakkriegs hatte auch Blair schon einen schweren Stand, doch lief unter ihm die Wirtschaft noch prächtig. Heute aber spüren die Briten die Folgen der globalen Finanzkrise, der Traum vom Dauer-Wachstum geht schmerzhaft zu Ende. Brown fehlt zudem das Charisma Blairs, der in der Konfrontation stets über sich hinauswuchs und der Nation das Gefühl gab, alles im Griff zu haben.

Hinzu kommen extreme Schnitzer: Die Behörden verlieren Millionen sensibler Daten, ausgerechnet Labour beschließt eine Steuerreform, die die Armen straft. Als Premier hat der 57-jährige Schotte Brown kein Thema, kein Ziel und keine Richtung vorgegeben. „Brown hält Reden übers Nationalbewusstsein, und ich habe jede Woche weniger in der Geldbörse. Was zum Himmel ist da los?“, empört sich Kolumnist Charlie Broker.

Brown hatte in zehn Jahren als zweiter Mann hinter Blair immer klar gemacht, dass er der bessere Premier sei. Zu unpopulären Beschlüssen Blairs (Irak-Krieg, Studiengebühren, Gesundheitsreform) hielt er Distanz, trug sie aber mit. Vielen enttäuschten Labour-Fans vermittelte er, dass er alles anders machen würde.

Brown, der „Feigling“

Solange er die Nummer zwei war, funktionierte das; nun kann er sich hinter keinem mehr verstecken. Wer der wahre Gordon Brown ist, sahen die Briten im Herbst, als er erst unnötige Neuwahlspekulationen aufheizte und am Ende einen peinlichen Rückzieher machte. Den Ruf des „Feiglings“ wird er nun nicht mehr los.

Wenn Labour heute weiter ziemlich geschlossen hinter ihm steht, dann nur, da sich keiner in aussichtslosen Neuwahlen verheizen lassen will. Den nötigen Neuanfang wird man aber wohl erst in der Opposition schaffen.

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HINTERGRUND

Bei den Kommunalwahlen in der Vorwoche in England und Wales fiel Labour mit 24% der Stimmen auf Rang 3 hinter den Tories und den Liberalen: Umgerechnet auf eine Parlamentswahl war es das schlechteste Ergebnis seit 1918.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2008)

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