Ukrainische Kampfjets für die Sahelzone

MiG-29 für den Tschad
MiG-29 für den TschadOleg Volkov/airliners.net
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In Lemberg wurde vor kurzem der erste von mehreren MiG-29-Jagdbombern gesehen, die bald in den Tschad exportiert werden. Das bettelarme Land wurde zuletzt zusehends zum gewichtigen militärischen Player in Afrika.

Im "Human Development Index" der UNO, einer gebräuchlichen Maßzahl, die aufgrund von Lebenserwartung, Bildungs- und Lebensstandard die Entwicklung eines Landes bewertet, steht das afrikanische Sahel-Land Tschad nicht eben gut da: Von 187 aufgelisteten Staaten rangierte der heiße, von Wüste dominierte Staat südlich von Libyen mit seinen etwa 13 Millionen Einwohnern im aktuellen Index 2012/13 auf Position 184. Schlechter stehen nur Mocambique, die Demokratische Republik Kongo und Niger da. Listenführer ist das kühle Norwegen.

Dafür darf sich das arme Land, das lange als rohstoffarm galt und außer Baumwolle kaum etwas exportierte, bis Anfang der 2000er ein wenig Ölförderung dazukam, in Kürze zum Besitzer eines recht modernen Kampfflugzeugmodells zählen: In der Ukraine wurden Mehrzweckkampfjets (Jagdbomber) des Typs MiG-29 (Hersteller Mikojan-Gurewitsch) beschafft. Vor kurzem sahen Planespotter das erste dieser Flugzeuge von einem Flugfeld nahe Lemberg in der Westukraine abheben, neulackiert und mit den Hoheitsabzeichen der tschadischen Luftwaffe in Rot/Gelb/Blau (Foto oben).

Aus ukrainischen Luftwaffenbeständen

Über Details ist wenig bekannt, etwa über die genaue Variante oder den Preis - der liegt bei neuwertigen Modellen so um die 30 Millionen Dollar pro Stück, aber Preisgestaltung im Militärflugzeuggeschäft ist eine komplizierte Sache. Unbekannt ist auch das dazu erworbene Sortiment an Bomben, Luft-Luft- und Luft-Boden-Raketen, anderen Flugkörpern, Selbstschutzsystemen und so fort. Die Jets dürften aber mit allergrößter Sicherheit gebraucht sein und aus Beständen der ukrainischen Luftwaffe stammen; das Land, das am Rande der Zahlungsunfähigkeit steht und bekanntlich stellenweise von einem Bürgerkrieg heimgesucht wird, hat jeden Dollar nötig - wobei sich die Wirkung der Finanzspritze aus Afrika freilich in äußerst engen Grenzen halten wird, denn bestellt wurden gerade einmal drei (!) MiG-29; vorerst, jedenfalls.

Tschads Präsident Déby vor kurzem bei seinem französischen Partner Hollande in Paris
Tschads Präsident Déby vor kurzem bei seinem französischen Partner Hollande in Paris REUTERS

Hinter der Order steht als treibende Kraft Tschads Langzeitherrscher Idriss Déby (62): Der Sohn eines Hirten war in Frankreich zum Militärpiloten ausgebildet worden, wurde in den 1980ern Armeechef, brillierte in siegreichen Kriegen gegen libysche Invasoren und wurde 1990/91 durch einen Putsch Staatschef. 2009 brüstetet er sich, dass sein Land bald Waffen haben werde, die nur wenige Staaten Afrikas besäßen, und dass sein jüngerer Bruder Umar losgeschickt werde, um MiGs in der Ukraine zu beschaffen - und zwar inklusive Piloten und Mechaniker.

Die 1961 gegründete tschadische Luftwaffe besteht im Kern aus einer Handvoll propellerbetriebener Transport- und Überwachungsflugzeuge in verschiedenen Größen sowie einem Dutzend Transport- und Kampfhubschraubern, ebenfalls teils aus ukrainischen Beständen (z. B. zwei Mi-24 "Hind"). Kiew war auch Lieferant von bisher sechs schweren Suchoi Su-25 "Frogfoot"-Erdkampfbombern für die Tschader, die 2008-10 überstellt wurden.

Ruf als harte Soldaten

In den vergangenen Jahren waren tschadische Soldaten - sie gelten als sehr kampferfahren und gehärtet - mehrfach in anderen Staaten Afrikas im Einsatz, um diverse Machthaber zu stützen: Etwa im Kongo, in der Zentralafrikanischen Republik und 2011 in Libyen, wo sie indes den Sturz von Diktator Muammar Gaddafi nicht verhindern konnten - es sei den Tschadern aber vor allem darum gegangen, Plünderungen von Waffendepots durch Islamisten zu verhindern, hieß es später.

Tschadische Soldaten in Mali, 2013
Tschadische Soldaten in Mali, 2013Reuters

Zwei Regimenter (Gesamtstärke etwa 2500 Mann) waren Anfang 2013 nach Mali entsandt worden, um im Rahmen einer französisch geführten Interventionstruppe eine drohende islamistische Machtübernahme in dem Wüstenland zu verhindern, was auch gelang.

Tschadische Kampfflugzeuge waren bisher außerhalb der Grenzen offiziell nicht aktiv; es gibt Berichte über Einflüge in den Sudan, als 2009 von dort Rebellen in den Tschad eindrangen und versuchten, die Macht zu übernehmen. Der Allgemeinzustand des Fluggeräts ist freilich - wie in allen afrikanischen Luftwaffen - fraglich; er dürfte aber im Schnitt besser sein als anderswo, weil Frankreich, das selbst eine Heeres- und Luftwaffenpräsenz im Tschad unterhält, das Land als Alliierten sieht und daran interessiert ist, auch dessen schweres Gerät halbwegs in Schuss zu halten.

Mirages eine Nummer zu groß?

Wieso Déby indes nicht in Frankreich einkaufen war, ist eine andere Frage. Vermutlich sind richtig moderne französische Kampfflugzeuge wie die "Rafale" und die etwas ältere "Mirage 2000" von Dassault für Entwicklungsländer wie den Tschad eine Nummer zu groß, sprich zu kompliziert und/oder teuer, abgesehen davon Paris beim Export allermodernster Ware wie der Rafale noch etwas strikt ist. Und richtig alte Franzosen-Flugzeuge wie Mirage III oder Mirage F1, die in die 1950er/60 zurückgehen, sind bereits zahlenmäßig selten geworden, nur noch schwer und teuer zu erhalten und einfach technisch keine attraktiven, zeitgemäßen Waffensysteme mehr, nicht einmal für arme Staaten.

Tschadische
Tschadische "Pilatus" mit Bomben am Flughafen N´DjamenaEPA

Die MiG-29 (Nato-Code: Fulcrum) stammt in ihrer Basiskonstruktion aus den 1970ern und wurde seither mehr als 1600 Mal in mehreren Versionen gebaut. Sie fliegt in zahlreichen Staaten, etwa Algerien, Indien, Peru, Polen, Serbien, Usbekistan und natürlich in Russland. In den wenigen bisherigen Luftgefechten gegen andere Jets schnitt die MiG-29 indes wenig befriedigend ab, die Israelis etwa schossen mehrere syrische 29er ab, die Amerikaner mehrere irakische und serbische, die Äthiopier einige eritreische. In einem luftwaffenspezifisch unterentwickelten Umfeld wie in Afrika sowie gegen Rebellen können die 29er freilich sehr starke Waffen sein.

Kein Kontinent für Kampfflugzeuge

In Afrika haben im übrigen aus nachvollziehbaren Gründen wie Armut, schlechter Infrastruktur und schlechtem Bildungsniveau bzw. Ausbildungsmöglichkeiten nur wenige Staaten zahlenmäßig, vor allem aber technisch erwähnenswerte Luftwaffen. Herabgebrochen auf Düsenkampfjets (und ohne Trainerversionen) sind heute eigentlich nur die arabischen Schwergewichte Ägypten und Algerien mit etwa 415 bzw. 100 einsatzbereiten Jets von Relevanz, deren Luftflotten schließen etwa amerikanische F-16, Mirages und russische Flieger wie MiG-21, MiG-29 und Suchoi Su-24 "Fencer" ein.

Der große Flächenstaat Sudan verfügt immerhin über etwa 84 Maschinen. Mehr als die Hälfte davon sind zwar chinesische Uralt-Jets wie der Nanchang Q-5-Jagdbomber und der F-7-Jagdbomber von Chengdu, im Grunde eine Kopie der russischen MiG-21; freilich gibt es auch elf MiG-29 und 15 Su-25-Schlachtflieger, mit denen das Regime in Khartoum das Land und die Nachbarn einigermaßen in Schach halten kann - und einige (drei bis angeblich sogar zwölf) Suchoi Su-24-"Fencer"-Bomber aus Weißrussland, die aufgrund ihres Einsatzradius (um die 1000 km) auch noch ein strategisches Element bieten.

Südlich der Sahara besitzt Südafrika zwar hochmoderne Saab "Gripen", aber davon nur 17 Stück (Zahlen aus World Air Forces 2014, Flight International). Äthiopiens Luftwaffe zählt etwa 25 Kampfflugzeuge, jene Kenias 17, die in Uganda 13. Das große und bevölkerungsreiche Nigeria, ansonsten oft Haupt-Truppensteller bei innerafrikanischen Interventionen und Hilfseinsätzen, hat überraschenderweise nur zehn chinesische F-7, sie sollen aber zumindest in größerem Umfang kampfwertgesteigert worden sein; zur Not kann man zehn leichte deutsche "Alpha Jet"-Erdkampfflieger hinzuzählen, obwohl die als Trainer firmieren.

Angolanische Su-27
Angolanische Su-27Picasa

Das Ölboomland Angola hingegen rüstete in der Luft zuletzt kräftig auf und verstärkte seine zuvor bereits etwa 63 älteren Jets (etwa Mig-21, Su-22) mit 15 Su-25 Frogfoots und sieben wirklich modernen Su-27 "Flanker"-Luftüberlegenheitsjägern, letztere aus Weißrussland. Und dem nicht genug: 18 noch modernere Suchoi Su-30 "Flanker-C" sind in Beschaffung, womit die einstige portugiesische Kolonie voraussichtlich klar zur stärksten Luftmacht des südlichen Afrikas werden wird.

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