Serbien: Cyber-Krieg gegen kritische Websites

Zensur? Serbiens Premier Alexandar Vucic weist die Vorwürfe entrüstet zurück
Zensur? Serbiens Premier Alexandar Vucic weist die Vorwürfe entrüstet zurückimago/Xinhua
  • Drucken

Premier Aleksandar Vucic verspricht, dass alle Angriffe aufgeklärt würden. Der jüngste traf eine bekannte Website, die Plagiatsvorwürfe gegen einen dem Regierungschef nahestehenden Minister erhob.

Die serbische Internet-Seite "Pescanik" ("Die Sanduhr") gilt als Garant unabhängiger Informationen und kritischer Meinungen. Derzeit macht sie allerdings eine Zwangspause: Nachdem sie am Sonntag einen Artikel veröffentlicht hatte, in dem der neue Innenminister Nebojsa Stefanovic, ein Vertrauter von Premier Aleksandar Vucic, beschuldigt wird, seine Dissertation teilweise abgeschrieben zu haben, war die "Sanduhr" wenig später sozusagen "verstopft". Die Internet-Seite brach unter einer Cyber-Attacke zusammen und war auch Dienstagnachmittag noch nicht wieder erreichbar.

"Dieser Angriff ist nur einer von vielen Versuchen, Inhalte im Internet zu zensurieren", meint Vukasin Obradovic, Präsident der "Unaghängigen Journalistenvereinigung Serbiens" (NUNS), in einem Statement gegenüber "DiePresse.com". Trotz der ihr von der Verfassung auferlegten Verpflichtung habe die Regierung bisher nichts getan, um die Freiheit der Meinungsäußerung im Internet zu schützen. Dies sei ein Zeichen dafür, dass sie nicht verstehe, dass es gegen den demokratischen Prozess und den europäischen Weg Serbiens sei, die Freiheit der Meinungsäußerung zu beschränken", so Obradovic weiter.

Vucic verlangte Entschuldigung von OSZE

Der Angriff auf Pescanik war tatsächlich nicht die erste Hacker-Attacke dieser Art in letzter Zeit: Im Zusammenhang mit kritischer Berichterstattung über den Umgang der Behörden mit der Flutkatastrophe wurden die zwei Portale "Druga strana" ("Die andere Seite"), mutmaßlich wegen eines die Regierung hart attackierenden Textes und "Teleprompter" von Hackern ins digitale Nirvana geschossen. Mittlerweile sind beide wieder erreichbar.

Der Regierung hat dies, auch seitens der Wiener OSZE, Zensur-Vorwürfe eingebracht, was den serbischen Regierungschef Alexandar Vucic wiederum zu dem sehr ungewöhnlichen Schritt veranlasst hat, von der OSZE-Medienbeauftragten Dunja Mijatovic eine Entschuldigung zu verlangen: Er wolle nicht glauben, dass die Reihe von Unwahrheiten, die sie (Mijatovic) gegenüber Serbien vorgebracht habe, andere politische Motive habe, so der sichtlich aufgebrachte Vucic in seinem geharnischten Brief, der viel Staub aufwirbelte.

Keine Regeln für Plagiatsfälle

Am Dienstag schlug der Regierungschef konziliantere Töne an: Vor Journalisten in Belgrad sagte er anlässlich des jüngsten Cyber-Angriffs, dass die Regierung alle derartigen Fälle untersuchen werde. Im Falle von Pescanik habe man bereits herausgefunden, dass der Angriff von zwei Adressen aus geführt worden sei, dass es aber keinerlei Verbindung zu irgendwelchen Regierungsstellen gebe. Im Zusammenhang mit seinem Streit mit der OSZE sagte Vucic erneut, dass diese ihm bisher keinerlei Beweise für die Zensur-Vorwürfe vorlegen habe können.

Die Plagiatsvorwürfe gegen seinen Vertrauten zog der Premier glatt ins Lächerliche: Als ausgebildeter Jurist interessiere ihn die Sache natürlich, und er habe geglaubt, dass er über das Thema auch Bescheid wisse: "Aber ich habe noch nie eine so dumme Erklärung gehört", zitiert ihn der Sender B92. Dieser seiner Meinung habe sich im Übrigen auch Bildungsminister Srdjan Verbic angeschlossen. Und wenn sich die Plagiatsvorwürfe doch bestätigen würden? "Dann wüsste Nebojsa sicherlich, was zu tun ist", richtete der Premier seinem Minister aus.

Ob es sich bei dem jungen und ehrgeizigen Stefanovic tatsächlich um einen serbischen Guttenberg handelt, dürfte indes gar nicht so leicht zu verifzieren sein: In Serbien gebe es nämlich keine genau festgelegten Prozeduren um festzustellen, ob es sich bei einer Doktorarbeit um ein Plagiat handelt oder nicht, zitiert die Zeitung "Politika" die Präsidentin des Nationalen Wissenschaftsrats, Vera Dondur. Und gesetzliche Regelungen, was zu geschehen habe, sollte tatsächlich ein Plagiat festgestellt werden, gibt es ebensowenig.

(hd)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.