Frankreich: Ex-Präsident Sarkozy in Polizeihaft

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Nicolas Sarkozy soll durch Quellen in der Justiz Verfahren gegen ihn verfolgt haben. Nun verhörte ihn die Polizei - als ersten Ex-Präsidenten des Landes.

Paris. Der frühere französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy (2007–2012) musste am Dienstag zu einem in der Geschichte der französischen Republik beispiellosen Gang antreten: Er war von der Kriminalpolizei vorgeladen worden, ins Polizeikommissariat von Nanterre im Westen von Paris, um verhört zu werden – und zwar auch noch in eigener Sache. Ihm wurde mitgeteilt, dass er sich wegen des Verdachts auf Bestechung von Richtern, Machtmissbrauch und Verletzung von Amtsgeheimnissen vorerst in Gewahrsam befinde bzw. im Haus zur Verfügung der Behörde bleibe. Diese Zwangsmaßnahme für Verdächtige, im Grunde eine U-Haft, kann in diesem Fall maximal 48 Stunden dauern.

Die Nachricht, dass sich der 59-jährige konservative Politiker dem Verhör der Polizei stellen musste, kam am Dienstag in den Medien als Topnews noch vor der Viertelfinalqualifikation der französischen Nationalmannschaft gegen Nigeria vom Vorabend in Brasilien. Schließlich war es, wie gesagt, ein präzedenzloses Ereignis. Bestimmt hatte auch Sarkozy selbst nicht damit gerechnet, dass ihn die Antikorruptionseinheit in Nanterre wie einen ganz gewöhnlichen Bürger in die Mangel nehmen und zu den Verdachtsmomenten ausquetschen würde.

Handys unter falschen Namen

Entrüstet hatte der Ex-Staatschef den Beistand eines Verteidigers abgelehnt. Sein Anwalt, Thierry Herzog, befindet sich nämlich ebenfalls auf demselben Kommissariat in Polizeigewahrsam und muss zu den gleichen Verdächtigungen Auskunft geben.

Beiden wird vorgeworfen, sie hätten sich mit Komplizen in höchsten Justizkreisen auf illegale Weise Informationen über laufende Ermittlungen besorgt. Darauf war die Polizei gekommen, weil sie Sarkozy und dessen Anwalt in richterlichem Auftrag überwacht hatte. Im Rahmen der Voruntersuchung wegen der angeblichen Finanzierung von Sarkozys Wahlkampagne von 2007 durch Libyens mittlerweile ermordeten Staatschef Muammar Gaddafi hatte man Sarkozys Telefongespräche abgehört. Dabei merkten die Beamten auch, dass dieser und sein Anwalt sich zusätzlich Handys unter falschen Namen beschafft hatten: Offenbar wollten die beiden unbelauscht über (möglicherweise kompromittierende) Angelegenheiten plaudern.

Bei dieser Überwachung kam nun laut Angaben des Onlinemagazins „Mediapart.fr“ heraus, dass Sarkozy und sein Anwalt geradezu verdächtig gut über die Ermittlungen informiert waren. In Wirklichkeit wurden beide nämlich angeblich von einem Informanten über die Fortschritte der Justizbehörden und sogar im Voraus über Beschlüsse und andere Maßnahmen benachrichtigt.

Das Geld der alten Dame

Speziell wollte Sarkozy anscheinend wissen, was allenfalls in der Bettencourt-Affäre gegen ihn und seine politischen Freunde vorlag oder an nächsten Schritten geplant wurde. Das Verfahren wegen Ausnutzung der Altersschwäche der finanziell großzügigen, heute 91-jährigen Milliardenerbin Liliane Bettencourt gegen ihn selbst wurde eingestellt. Andere Anschuldigungen und Ermittlungen dürften wegen seiner strafrechtlichen Immunität während der Präsidentschaft im Sande verlaufen. Im Nachhinein könnte ihm nun seine Neugier respektive illegales Vorgehen zur Beschaffung amtsinterner Auskünfte teuer zu stehen kommen.

Neben dem sehr bekannten Pariser Advokaten Herzog sind am Montag auch zwei Generalstaatsanwälte des Kassationsgerichts zur Befragung vorgeladen worden. Einer von ihnen, Gilbert Azibert, wird verdächtigt, als Sarkozys Anwalt sein Insiderwissen weitergeleitet zu haben. Als Gegenleistung sei Azibert in Aussicht gestellt worden, dass er dank der Förderung des Ex-Präsidenten auf einen bedeutenden Regierungsposten im Fürstentum Monaco gehievt werden könnte. Bereits Ende Februar ist deswegen eine Voruntersuchung eingeleitet worden.

Im Anschluss an das Polizeiverhör müssen die Untersuchungsrichter entscheiden, ob ein gerichtliches Ermittlungsverfahren mit Hinblick auf einen regelrechten Strafprozess eröffnet wird.

Stolperstein für Polit-Comeback?

Die plötzliche Beschleunigung der Ermittlungen in diesem Fall kommt für Sarkozy sehr ungelegen, da er seine Rückkehr in die aktive Politik vorbereitet und sich namentlich mit dem Gedanken trägt, für sein Comeback im Herbst den Vorsitz der konservativen UMP zu übernehmen. Diese Partei steckt wegen eines Skandals um die Finanzierung der Präsidentschaftskampagne von 2012 in einer schweren Krise. Bisher hat laut Umfragen eine Mehrheit der UMP-Basis eine Kandidatur Sarkozys bei den Präsidentschaftswahlen von 2017 gewünscht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2014)

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