Thailand: Wie Bangkoks Junta ihre Macht absichern will

(c) REUTERS (DAMIR SAGOLJ)
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Die Militärregierung in Thailand will noch im Juli eine Übergangsverfassung verabschieden – ganz im Sinn der alten Elite.

Bangkok. Die Pläne von Thailands Militärjunta werden konkreter. Surasak Kanchanarat, Staatssekretär im Verteidigungsministerium in Bangkok, sagte, eine Reform der Parteien, Dezentralisierung und Strafen für Wahlbetrug stünden ganz oben auf der To-do-Liste der Militärherrscher.

Noch in diesem Monat soll eine Übergangsverfassung in Kraft treten, ergänzte Militärchef Prayuth Chan-ocha bei seiner wöchentlichen Fernsehansprache. Bis September will er eine handverlesene Übergangsregierung ins Amt bringen. Wahlen soll es wieder um den Oktober 2015 geben.

Zudem soll sich die Militärregierung, die sich „Nationalrat für Frieden und Ordnung” nennt, laut Medienberichten Sonderrechte in der Übergangsverfassung reserviert haben, insbesondere für Sicherheitsbefugnisse. Außerdem will die Junta ein 200-köpfiges Parlament ernennen und einen aus 250 Mitgliedern bestehenden Reformrat einsetzen, der das politische System des Landes überarbeiten soll. Ein 35-köpfiges Komitee soll anschließen die Verfassung ausarbeiten. Eine Volksabstimmung darüber ist jedoch nicht vorgesehen.

Dieses Vorgehen ist ein nur dünn kaschierter Versuch, die Uhr zurückzudrehen. Denn Bangkoks traditionelle Elite, zu der auch die Militärführung gehört, hat ein gewaltiges Problem: Ihr Vehikel, die monarchistische Democrat Party, hat zuletzt vor über 20 Jahren landesweite Wahlen gewonnen. Die Parteien des Milliardärs und Populisten Thaksin Shinawatra haben hingegen seit 2001 sämtliche Abstimmungen für sich entscheiden, 2011 mit einer absoluten Mehrheit.

Thaksin, der aus dem Norden des Landes stammt, hat sich während seiner Zeit als Premier ab 2001 durch erfolgreiche Armutsbekämpfungs- und Wirtschaftsförderungsprogramme im bevölkerungsreichen Nordteil des Landes zahlreiche Anhänger gesichert. Zugleich hat sich Thaksin durch seinen zunehmend autoritären Führungsstil auch viele Feinde gemacht. Bangkoks Mittelschicht sah sich durch das Aufkommen einer neuen, ländlichen Mittelschicht in ihrem Status bedroht. Bangkoks traditionelle Elite betrachtete Thaksin, der 2005 in einem Erdrutschsieg im Amt bestätigt worden ist, als Bedrohung. Nach Protesten in Bangkok und einem Wahlboykott durch die Democrat Party putschte ihn das Militär 2006 aus dem Amt.

Die Schöpfer der anschließend verabschiedeten Verfassung von 2007 haben die Befugnisse gewählter Regierung stark eingeschränkt. Zahlreiche Artikel, die sich mit politischen Parteien befassten, waren bewusst schwammig formuliert, um den mit konservativen Richtern besetzten höheren Gerichten die Möglichkeit zu geben, nach Verfehlungen einzelner Führungsmitglieder ganze Parteien zu verbieten. Die vermeintlich unabhängigen Institutionen des Landes, wie etwa die Wahlkommission, wurden gezielt mit Thaksin-Gegnern besetzt. Es half nichts: Zum großen Entsetzen von Bangkoks Establishment gewannen sowohl 2007 als auch 2011 Thaksins Parteien.

Wahlrecht offen abgelehnt

Große Teile von Bangkoks Elite lehnen mittlerweile offen das allgemeine Wahlrecht ab. Der Großteil der Menschen in Thailand, heißt es in diesen Kreisen immer wieder, sei „zu ungebildet“. Außerdem hätten mit Thaksin verbündete Regierungen das einfache Volk durch Stimmenkauf und populistische Geschenke korrumpiert.

Doch kein ernst zu nehmender Wissenschaftler bezweifelt, dass die Ergebnisse der Wahlen seit 2001 den Willen der Bevölkerung widergespiegelt haben. Daher bezweifeln Kritiker, ob eine aufgezwungene Verfassung dazu beitragen wird, das vorgebliche Ziel der Junta zu erreichen: die Polarisierung des Landes zu beenden. Offen dazu äußern mag sich jedoch kaum jemand. Es ist derzeit unter Strafe verboten, die Junta oder deren Entscheidungen zu kritisieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2014)

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