„Dritte Amtszeit für Putin“

(c) AP (Dmitry Lovetsky)
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Nach den Personalrochaden ist klar: Medwedjews Spielraum ist gering.

Moskau. Der Haupt-Nachrichtenlieferant aus Russland bleibt auch nach der Machtrochade Wladimir Putin: Die Mitteilung der Namen seiner Mitarbeiter in der Regierung des neuen Premiers hat am Dienstag die Seiten der Zeitungen und die Bildschirme des Fernsehens gefüllt. Dass auch Präsident Dmitri Medwedjew am Montagabend einen Teil seiner Mitarbeiter bekannt gab, nahm sich nachgerade als Fußnote aus.

„Die Kräfteverteilung in der neuen Regierung erlaubt zu behaupten, dass sich die erste Amtszeit Medwedjews als dritte Amtszeit Putins erweisen kann“, schreibt Konstantin Simonow, Generaldirektor der Moskauer Stiftung für nationale Energiesicherheit: „Die Haupternennungen, selbst die Person des neuen Leiters der Präsidialverwaltung sind ganz klar von Putin selbst ausgedacht.“ Und der Politologe Dmitri Oreschkin sekundiert: „Die Machtvertikale bleibt unter Putin“.

Wenige aus Medwedjews Stall

Beobachter sind nicht sonderlich überrascht. Schon im Wahlkampf, der in Wirklichkeit keiner war, stand fest, dass Medwedjew fürs Erste nur einen Bruchteil des Führungskaders mit Leuten aus seinem Stall wird bestücken können. Gerade einmal Justizminister Alexandr Konowalow gilt als ausgewiesener Medwedjew-Mann, und mit Igor Schuwalow ist immerhin ein Marktwirtschaftler erster Vizepremier. Ansonsten dominieren Putin-Leute. Auch in Medwedjews Kreml sitzen überwiegend langjährige Mitarbeiter der Putin-Ära. Chefideologe Wladislaw Surkow etwa wurde zum Vizestabschef befördert. Beförderungen müssen aber die Bedeutung nicht erhöhen, meinen Beobachter, denn das Machtzentrum verlagert sich zu Putin ins Weiße Haus.

Der liberal gestylte Medwedjew habe den Westen fürs Erste enttäuscht, urteilte die Nachrichtenagentur RBK. Der Westen habe sich erwartet, dass der 42-jährige Thronnachfolger seinen 55-jährigen Ziehvater Putin sukzessive marginalisieren und eine eigenständige, prowestliche Politik verfolgen werde. Medwedjew aber erweise dem Westen nicht nur keine Reverenz, im Gegenteil: Er unternimmt seine ersten Auslandsreisen nach Kasachstan, China und Venezuela und telefonierte bereits mit Libyens Staatsführung.

Der außenpolitische Kurs gehe also weiter. Daran sei nichts Außergewöhnliches meint der Politologe Alexej Muchin vom Moskauer Zentrum für Politische Information: Für den heiklen Kontakt mit dem Westen fehle Medwedjew noch das außenpolitische Gewicht, weshalb auch ausländische Staatschefs nach wie vor den Kontakt zu Putin suchten.

Dass Medwedjew nicht gänzlich Putins Marionette sei, meint indes der Ex-Staatsanwalt Juri Skuratow: Er sieht die Handschrift Medwedjews etwa darin, dass der Chef des russischen Geheimdienstes und Putin-Intimus, Nikolaj Patruschew, sowie der Leiter der Antidrogenbehörde Wiktor Tscherkessow degradiert wurden.

Erste Schreiduelle

Mit der Beseitigung der beiden Streithähne wurde einem Clan-Gefecht innerhalb der Geheimdienste ein Ende gesetzt. Im vorigen Jahr war der Krieg zwischen den Clans an die Öffentlichkeit geraten und hatte auch die Staatsanwaltschaft beschäftigt. Beobachter sehen diese Personalentscheidungen als die dringlichsten an, erwarten aber weitere Ausmistungen in den Sicherheitsorganen.

Er und Putin hätten alle Personalfragen abgestimmt und dafür genug Zeit gehabt, hatte Medwedjew am Montag gesagt. Wie aus Kreml-nahen Quellen zu erfahren war, soll es dabei nicht so harmonisch hergegangen sein, wie das Tandem nach außen vermitteln will. Gerade wegen der Weiterverwendung von Putins engsten Vertrauensleuten mit Geheimdienstvergangenheit sollen auch schon Schreiduelle zwischen dem Ziehvater und seinem Schützling zu vernehmen gewesen sein.

AUF EINEN BLICK

Dmitrij Medwedjew ist zwar seit 7. Mai neuer russischer Präsident, sein Vorgänger Wladimir Putin hat sich aber seinen Einfluss bewahrt: Er ist seit 8. Mai neuer Premier und hat einflussreichen Leute aus der Kreml-Verwaltung in hohe Regierungs-Posten gehievt. Zudem ließ er sich zum Chef der Kreml-Partei „Einiges Russland“ wählen. Offen ist, wer künftig die Geheimdienste kontrollierten soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2008)

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